Belastungsprüfung mit Sandsäcken

Tach zusammen,

lockeres, unkritisches Hinschreiben von grossen Zahlen macht schon Eindruck, wie: "Ich würde kein einziges Modell unter 10 oder 15 g auslegen, nichtmal einen Trainer, 20 halte ich für sinnvoll, wenn man keine weiteren Analysen vorliegen hat. 7 g sind wirklich nicht viel und die fliegt man sogar ziemlich oft und entspannt, wenn man drin sitzt" (Steffen hier am 23.11.)

Guhgelt man mal nach "Motorkunstflug", wird man nach Betrachten der Daten zB dieser Ultimate 10 Dash 200 oder dieser Extra 300 S möglicherweise mindestens stirnrunzelnd, weswegen ich mit einer kleinen Anfrage bei German Aerobatics vorstellig wurde. Das sind sicher Profis, weshalb sie auch genau so sicher besonnen mit den Sachen umgehen. Ich hab sogar eine sehr ausfuehrliche Antwort erhalten, die sicher den einen oder anderen Festungsbauer hier interessieren duerfte, weshalb ich sie mit Genehmigung des Moderators (Schweigen heisst Zustimmung!) unten in voller Laenge reinstelle.

Noch was von mir zum hiesigen Modell. Eine Spitfire ist kein Kunstflugzeug und ist im Original auch nur in leichtem Kunstflug betrieben worden. Da sass ja kein Hochleistungssportler drin. Die Materialien waren schlecht, und das Flugzeug musste billig sein (man muss ja mit Verlust rechnen). Mit den hier diskutierten Zahlen hat das also nichts am Hut!

Jetzt reichts und Buehne frei fuer "German Aerobatics" :D

Ihr Lieblings"gegner" (Anm.: Steffen mit obigem Zitat) hat, wie Sie schon vermutet haben, unrecht. Entscheidend dabei ist wirklich die Dauer der Belastung. 7G sind für einen normalen (nicht Kunstflieger) schon sehr viel und die wird er auch nicht über wenige Sekunden hinaus ertragen. Wir fliegen im Wettbewerb in den oberen Klassen (Advanced und Unlimited) doch schon 8G+ / 6G- und manchmal auch darüber, die Belastungen sind aber sehr kurz. Zum Beispiel bei einem Abfangbogen von der Vertikalen nach Unten in die Horizontale und kurz danach wieder in die Vertikale nach Oben mit jeweils ca. 7 G für jeweils ca 4-5 Sekunden kann es schon mal einen ganz engen Tunnelblick geben. Da muss man dann sehr aufpassen. Entscheidend ist auch die Fluglage vor der Belastung. Daher sind die Lastwechsel von negativen zu positiven Belastungen und umgekehrt in den oberen Wettbewerbsklassen auch so anspruchsvoll (und teilweise sehr schmerzhaft)!

Mit einem normalen Flugzeug, dass nur bis 2,5 G + zugelassen ist, treten strukturelle Probleme auf, wenn wirklich 7 G erreicht würden, auch wenn die Belastung nur kurzzeitig auftritt. Die Bruchlast liegt, wenn ich das richtig erinnere, bei der 1,5-fachen maximal zugelassenen Last. Da gibt es bei über 4 G durchaus schon Verformungen.

Die Lastgrenzen für die Kunstflugzeuge liegen zwar deutlich Höher (bei meiner Cap231 z.B. ±9 G) bieten aber kaum noch Toleranz zum Bruch. Wenn die Grenzen z.B. um 1 G überschritten werden, müssen einige Modelle sogar zur Kontrolle zum Hersteller. Deshalb passen wir mit den Lastgrenzen auch höllisch auf.

Bei einem Unfall mit einer Cap 10 vor einigen Jahren, ist der Hauptholm nach einer Überlastung kurz vor dem Unfall gebrochen und der Flieger abgestürzt. Die maximal zulässige Belastung lag dort bei 6G+!!!

Übrigens, die schlimmsten Achterbahnen haben so knapp über 4G+ und 0G- ...

... und schauen Sie sich da die Leute mal nach der Fahrt an.
;) Wolfgang
 
Du hast vergessen, darauf hinzuweisen, dass es um Kunstflug ging, und da sind 7 g gang und gebe und nach kurzer Trainingszeit wirklich kein großes Erlebnis mehr (sie liegen nämlich nur kurz an)

Aber er schreibt ja selbst, dass im Wettbwerb +8/-6g und manchmal darüber geflogen werden, und mehr habe ich auch nicht behauptet. :D

Aber egal, mit Meteorologen zu diskutieren hatte noch nie Sinn :D
 
Nunja, Motorflugzeuge sind zwar auch nicht mein Metier, aber wenn eines bis 10g sicherer Last zugelassen ist muss es mindestens 15g (Bruchlast) halten (3 Sekunden lang). Der Sicherheitsfaktor von 1,5 ist nicht unbedingt üppig. Dafür ist er aber umso wichtiger, denn wenn Piloten den zulässigen Spielraum nutzen, muss man eben damit rechnen, dass sie ihn auch mal ungewollt verlassen. Man legt sowas normalerweise lieber mit nem Faktor 1,725 oder sogar 2 aus um dann tatsächlich auch beim Bruchversuch sicher über 1,5 zu kommen.

Wie schon gesagt, finde ich den Vergleich zu Luftfahrzeugen in denen Leute drinsitzen nicht angebracht, wenn es darum geht im Flug auftretende Lasten abzuschätzen. Durch die andere Größenordnung der Geräte sind das zwei verschiedene Paar Schuhe. Die Methoden um sowas auszulegen, zu konstruieren und das Ergebnis schliesslich zu überprüfen, können trotzdem sinnvollerweise die gleichen sein. Konkrete Lastannahmen zu treffen ist hier bei den Modellen meist nicht üblich und oft nicht einfach. Sinnvoll wär's trotzdem (geht auch ohne Ingenieursdiplom). Vor allem bei größeren Modellen ist irgendwie frei nach Gefühl dimensionieren nicht besonders seriös. Manche Erbauer werden das durch Erfahrung kompensieren können, aber eben nur, wenn ausreichend Erfahrung mit der gefragten Sorte von Modellen (Größe, Bauweise, etc.) vorhanden ist, will man damm mal 'was anderes' bauen, steht man plötzlich wieder völlig auffem Schlauch mit seinem Gefühl. Oder man betoniert alles dermaßen, dass auch ein Elefant es nicht zertrampelt bekäme.

Ich betrachte, um abzuschätzen ob es hält oder wieviel es hält, zunächst immer nur die Flügelwurzel, da sie i.A. der kritische Bereich ist. Selbst wenn sich der Querschnitt der Holmgurte linear nach aussen verjüngt, ist das normalerweise immernoch der Fall. Dann rechne ich ein maximal zu erwartendes Biegemoment aus. Dafür muss ich eine maximale Geschwindigkeit Vmax annehmen. Ich nehm der einfachen Zahlen wegen mal 180km/h, das sind 50m/s. Die theoretische Vmin kenn ich schon, z.b. aussem Ranis (tolles Werkzeug! Danke an dessen Macher ;) ), geht aber auch recht einfach 'zu Fuß' zu rechnen. Vmin (1g => A = m * g und Camax!) sei mal 36km/h oder 10m/s. Da der zur Verfügung stehende Staudruck, der über die Größe aller Luftkräfte bestimmt (und zwar jeweils mit linearem Anteil), Quadratisch mit der Geschwindigkeit wächst, tun dies auch die potentiell möglichen Luftkräfte.

Daraus folgt im Grunde, dass der Flügel bei Vmax einen Auftrieb erzeugen kann(!), der für (Vmax / Vmin)² g reicht, in diesem Fall 25g. Wenn ich auf Nummer sicher gehen will kann ich weiterhin eine rechteckige Auftriebsverteilung annehmen, oder eine Ellipse, die eher realistisch ist. Im ersten Fall greift der gedachte Auftriebsschwerpunkt bei 0,5 Halbspannweiten an jedem Halbflügel an. Bei der Ellipse sind es 0,43 Halbspannweiten. Das ist der Hebelarm, mit dem genau die Hälfte des Gesammtauftriebs auf die Flügelwurzel wirkt. Mein Modellchen habe nun 2m Spannweite und ich nehm die Ellipse. Die Masse des Flügels vernachlässige ich, das is selbst bei 'den großen' übliche Praxis. Bleibt der Rumpf. Der wiegt mal 5kg. Und jetzt kommts das Biegemoment an der Wurzel ist 5kg * 25 * 9.81m/(s²) * 0,43 * 1m / 2 = 264Nm

Ok, das ist ein Biegemoment, na und?
Tja, ich teile das der Einfachheit (mal wieder) durch den Abstand der Holmgurtachsen. Seien das mal 26,4mm ;) dann hab ich ne Zug-/Druckbeanspruchung der Gurte von etwa 264Nm / 0,0264m = 10000N
Huch, na sowas, welch eine Runde Zahl...

Dann werfe ich nen Blick in das schlaue Büchlein mit den Materialkennwerten. Ich nehme mal Kohlerovings. Wenn ich ne Harzschlampe bin, oder ein Angsthase, nehm ich 600N/mm² an oder gar weniger. Ich aber baue ordentlich, bin mutig und zudem rechenfaul, nehme daher 1000N/mm² ;) .

Und staune, dass 10mm² (Zehn!) Davon reichen, trotz der so unverschämt üppigen 25g (Bruchlast) Auslegung. Das verjünge ich der Einfachheit halber (ich weiß ihr könnt's schon alle nichmehr hören...) linear und mache oben wie unten gleich (Datt Dingen hat natürlich en symmetrisches Profil, ja, ihr wisst schon warum...) . Sind also 0,00002m³ getränkte Rovings, die im Flügel landen, die wiegen dann bei (ich bin so rechenfaul) ner Dichte der Gurte von 1500kg/m³:
0.00002m³ * 1500kg/m³ = 30 Gramm

Jedes weitere 'g' Auslegungslast wird also übern dicken Daumen etwas mehr als ein Gramm(!) Mehrgewicht der Gurte kosten. Hab mich dem Holmsteg bewusst noch nicht gewidmet, klar. Aber is gewichtsmäßig garnicht so teuer, so ein bisschen Festigkeit, oder?

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Ach, nochen kleiner Tipp:

Ich würd dann gleich das doppelte in den Holm einbauen, und dann meine Kumpels zum Belastungstest einladen. Das Modell rücklings liegend fixiert (oder meinetwegen nur der Flügel) wird mit Sandsäckchen beladen. Kommentar: "Datt Ding is auf 25g ausgeleeecht. Jetz hammwer schon 20g drauf liegen..." Unter leisem Knistern werden immer mehr Säckchen draufgepackt, bis 25g. "Juuht, ich hab nomma drübergerechnet" (so sagen Ingenieure immer) "und et müsste auch 30g halten" Wieder Säckchens drauf, bis 30g. Es staunen die Kumpels. Alle haben Angst um das arme Flügelchen. Dann: "Ach sch... drauf, ich wills jetz wissen, wir packen nowatt drauf..." Mehr Säckchen, bis bei 35g keine weiteren mehr da sind (waren natürlich vorher schon abgezählt ;) ). Die Kumpels starren mit offenen Mäulern entsetzt das ächzende Flügelchen an. Dann nehm ich unaufflällig ne olle nich zu dünne Kiefernleiste inne Hand, stell mich hinter die gaffenden Kumpels und breche sie "Au SCH...!" brüllend über's Knie... :D :D :D

Kurbel
 
Hallo!
Das ist ja ne interessante Diskussion hier!
Man sollte bei den ganzen "Festigkeitsüberlegungen" aber nicht vergessen, dass es noch so etwas wie Dehnungen gibt. Veränderungen können durch Überschreiten der zulässigen Dehnungen auftreten, obwohl die rechnerische Kurzzeit-Bruchlast noch nicht erreicht ist (Stichwort Grenzdehnung, Rissbildungsgrenze).
Umgekehrt sind die Dehnungen geeignet, um auf die vorhandenen Spannungen im Material zurückzurechnen und eine Vergleichsspannung zu errechnen. So ist es empfehlenswert, aus der Durchbiegung der Flügel auf die wahren Spannungen im Holm zu schließen und den "Materialnutzungsfaktor" zu ermitteln. Dieser muss unter </=1 liegen bei Prüfbedingung.
Für GFK-Laminate kann man als Faustregel eine maximale Grenzdehnung von 0,35% bei Prüfbedingung ansetzen. Eine realistische Prüfbedingung könnte sein: maximales Lastvielfache X 1,5.
In Sachen Lastvielfachen bzw. Sicherheiten stimme ich Steffen eindeutig zu. Die Auslegung auf 25 g ist für sportlich geflogene Modelle ok, errechnet aus einem angenommenen Maximalvielfachen von 15 g plus einem Sicherheitsfaktor von 1,5 (welcher nebenbei bemerkt die Untergrenze darstellen sollte).
Eine entsprechend bewegte und gut gehende Kunstflugmaschine sollte auf min. 25 g + Sicherheitsfaktor ausgelegt sein; das heißt Bruch im Kurzzeit-Lastfall nicht vor etwa 38-40 g.
Die o.g. "Materialkennwerte" (Sigma zug) von 1000 N/mm² sind für hobbymäßige Verarbeitung m.E. deutlich abzumindern! Die 600 sind eher realistisch!
Des Weiteren sollte eine Flügelschale natürlich auch gegen Instabilität ausreichend dimensioniert sein, Stichwort "elastisches Beulen" auf der Druckseite.
Gruß!
 
Achim, gute Bemerkung das mit der Stabilitaet gegen Beulen.
Das Verhindern von "Stabknicken" ,der auf Druck belastete Holm ist ein solcher Stab, ist nicht zu vernachlaessigen. Es nutzt nichts gut dimensionierte CFK-Holme zu bauen, wenn die nicht richtig gegen Knicken abgesichert sind. Dies geschieht in der Regel mit einer Holmverkastung die weiterhin die wesentliche Funktion der Schubuebertragung zwischen dem oberen und unteren Holm uebernimmt. Diese Schubkraefte (nicht Motorschub) wirken in Richtung 45Grad zwischen den Holmen. Ein Balsa GFK Verbund, der die Kohleholme mit einbezieht hat sich hier bewaehrt. Dabei wird das Glasgelege, wegen der Belastungsrichtung, in einem 45 Grad-Winkel verlegt.
 
Hallo Stefan,
das ist richtig, allerdings wollte ich weniger auf das Stabknicken eines Holmes als das Beulen einer flächigen Schale heraus. In der Praxis gibt es viele Sandwich- und GFK-Schalenflügel, die entweder gar keinen durchgehenden Holm besitzen oder dieser nicht wie von Dir beschrieben korrekt angebunden sind. Die somit tragende Schalenkonstruktion muss dann meist vorrangig gegen Beulen ausgelegt werden.
Gruß!
 
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