Frühlingsgefühle am Fühlinger See

Aufgeregt rannten die Männer am See entlang. Ihre Blicke schweiften gehetzt über das Wasser. Erschreckte Erpel schnatterten wütend und versuchten ihr Revier vor ihren menschlichen Artgenossen zu verteidigen, denn es war Brutzeit und sie fürchteten um ihre Frauen.
Was war passiert? Was hatte die Männer veranlasst, wild gestikulierend, mit merkwürdigen Geräten in den Händen, am Ufer entlang zu rennen? Ihre Gesichter waren vor Anstrengung verzerrt und dem ein oder anderen konnte man ansehen, dass seine Kondition wohl kaum ausreichen würde, diese Strapazen zu überstehen.
Was ging hier nur vor? Vorfrühlingshaftes Balzgehabe? Doch, kaum ein begattungsfähiges Weibchen war zu sehen, worum es sich zu kämpfen gelohnt hätte. Also muss es was anderes sein, was diese Männer so aufregte.

Ein auf dem Steg stehender Mann zog sich seine Rettungsweste über. Ein kleines Motorboot wurde herangezogen und er bestieg das aufgrund des starken Wellenganges enorm schwankende Gefährt. Also war doch etwas geschehen. Ich hatte richtig vermutet. Er startete und in einem wahnsinnigen Tempo brauste er davon. Na ja, ehrlich gesagt, war dieses Tempo nicht so wahnsinnig, denn ich hatte das Gefühl, als wenn sich das Boot kaum fortbewegen würde. Es war ja auch nur ein kleiner See und da durfte man wohl nicht so rasen.
Aufgeregt beobachte ich die Szenerie weiter. Alle Männer entfernten sich in eine Richtung am Ufer entlang, der eine schneller, der andere langsamer, und die Erpel gaben endlich wieder Ruhe. Ich sah, dass sich auf dem Wasser Segelboote befanden, die geschlossen in eine Richtung segelten. Bis auf eines, das wollte wohl nicht so recht mit den anderen mithalten oder hatte die Richtung verwechselt. Wer weiß das schon? Dieses schien in Seenot geraten zu sein und der Steuermann war in heller Aufregung. Er stand am Ufer und fuchtelte mit einem eben solchen merkwürdigen Gerät, wie es die anderen Männer hatte, herum. Sein Lieblingskind schien außer Kontrolle zu sein. Sein Kind? Nein, auf einem solchen Boot hatte kein Kind Platz, es war ein Mini-Segelboot, das wie ein Spielzeug für Kinder aussah. Und es war ferngesteuert, so wie es auch ferngesteuerte Autos gibt. Diese Dinger, bei denen immer wieder die Akkus leer sind und die Kinder brüllen, weil es nicht mehr fährt.
Und hier schien auch jemand zu weinen. Sein Boot war völlig führungslos. Aber, Gott sei Dank, das Motorboot kesselte es ein und zog aus dem Wasser, brachte es an Land. Vorbei war es mit dem Fluchtversuch des kleinen Bootes. Ja, wo kommen wir denn da hin, wenn jeder segelt wie er will! Das kann doch nur in die Hose gehen. Wozu gibt es Regeln? Und die wurden vorher doch genau erklärt. Auch ein noch so kleines Boot muss das verstehen und sich daran halten.
„Worum geht es hier eigentlich?“, fragte ich.
„Das ist eine Wanderregatta“, bekam ich zur Antwort. Aha, deshalb. Jetzt verstand ich, warum all die Männer am Ufer in einem Tempo entlang rasten, das der Geschwindigkeit einer Schnecke gleichkam. Wandern, war klar. „Das Wandern ist des Seglers Lust ...“. Oder wie hieß dieses Lied? Das war mir in der Aufregung entfallen.
Und jetzt begriff ich es auch. Die kleinen Boote hatten einen vorgegebenen Kurs, mussten um Bojen segeln und wehe dem, es brach eines aus. So, wie das kleine von vorhin. Das wurde sofort eingefangen, von diesem Rettungsboot und für den Rest des Tages hatte es Landarrest. Ordnung muss sein. Das wird sich gewiss auch so ein kleines Boot fürs nächste Mal merken und sich daran halten.
Ich war zufrieden und dachte, jetzt geht es richtig los. Und ging es auch. Mittagspause! Kaum angefangen – schon zu Ende. Die vorhin so rasenden Männer brauchten Erholung. Das war auch verständlich. Sie waren bestimmt an die dreihundert Meter in die eine Richtung und auch wieder in die andere Richtung zurück gerast. Im Schneckentempo, wie schon bemerkt. Es versteht sich von selbst, dass sie müde waren. Es war ja kein Wind und die Boote kamen nicht voran. So etwas ist anstrengend und zerrt an den Nerven. Man will ja als erster ankommen. Viele hundert mühselige Bastelstunden steckten in so einem Boot, das soll sich auch lohnen.
Tja, und da geht es natürlich nicht, dass sich ein Boot selbständig macht, geradezu eine Revolution vorbereitet und womöglich noch das ein oder andere Boot zum Ausreißen animiert. Ordnung muss sein, daran muss sich auch ein Mini-Segelboot halten. Jetzt verstand ich die Aufregung der Erpel – äh, der ferngesteuerten Männer. Ach quatsch, das alles macht einen ja ganz elektrisch.
„Und wann geht’s weiter?“ Meine Frage schien auf wenig Verständnis zu stoßen.
„Wenn Wind kommt.“
„Wann kommt Wind?“
„In dreizehn Minuten.“
Präzise Angaben können sie machen, diese von Wind und Wetter gegerbten Männer. Hart sind sie im Nehmen und zeigen Einsatz. Sie imponieren mir, diese Erpel, äh - Männer.
Ob der Wind das wohl auch wusste und in dreizehn Minuten ankommen würde?
Aber er wird sich fügen müssen vor dieser geballten Manneskraft – da bin ich mir ganz sicher. Und wenn nicht, dann wird auch ohne Wind gesegelt. Nein, ihren Spaß ließen sie sich nicht nehmen – dazu war der Winter viel zu lang gewesen.

(c) Monique Lhoir

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Kamikaze-Segeln

“Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist fein ...”, so dachte ich, als mich mein hoffentlich liebender Ehemann zu einem verlängerten Wochenende nach Köln zum Fühlinger See einlud.
Das gestaltete sich allerdings in der Form schon schwierig, als dass mein Auto mit irgendwelchen Segelstangen bestückt wurde, ich auf keinen Fall bremsen durfte, da sonst sämtliche hochempfindlichen Gegenstände, deponiert auf meiner Rücksitzbank, beschädigt werden könnten und mein mich hoffentlich liebender Ehemann vor lauter Aufregung vibrierte, wobei ich bei diesem Geräusch empfindlich hellhörig würde, da ich dachte, mein Motor hätte einen defekt.
Nun, zum Glück ging alles gut. Ich brauchte nicht abrupt bremsen, das hätte bestimmt Ärger gegeben, und das vibrierende Geräusch ließ nach, als wir endlich am Freitag Abend in Köln beim Essen saßen und mein mich hoffentlich liebender Ehemann mindestens vier von diesen Bieren in Reagenzgläsern getrunken hatte. Dem Zeug scheint vorsorglich Öl beigefügt zu sein, so dass der Motor wieder reibungslos schnurrte.
Nun, am nächsten Morgen ging es los. Hier hatte ich es nicht nur mit einem aufgeregten Mann zu tun, sondern gleich mit dreißig. Ein jeder polierte, schraubte und montierte an seinem Boot herum. Warum man dies allerdings tat, so fragte ich mich, wenn man die Dinger doch sowieso gleich in diesen Tümpel setzte, verstand ich nicht so recht. Also, als rational denkende Hausfrau hatte ich dafür – ehrlich gesagt - überhaupt kein Verständnis. Ich putze ja auch nicht meine Fenster, wenn es in Strömen gießt, um sie hinterher noch einmal zu putzen. Na ja, männliche Logik.

Und dann ging es endlich los. Die Männer schleppten oder fuhren auf umgebauten Kinderwagengestellen oder ähnlichen, dafür geeigneten oder ungeeigneten Geräte ihre Boote zum See. Mein mich hoffentlich liebender Ehemann, was ich inzwischen allerdings stark bezweifele, schien mich völlig vergessen zu haben, denn er ließ mich einfach sitzen und jumpte zum Teich. Also entschloss ich mich, mir das Geschehen von einem hervorragenden Aussichtspunkt anzugucken, wo ich alles im Blick hatte.

Da standen sie nun, diese Männer, in Reih und Glied, ließen ihre Boote zu Wasser.
“Noch drei Minuten”, tönte es aus irgendeinem Lautsprecher. “Noch zwei Minuten.” Man konnte die Vibrationen der männlichen Motoren direkt spüren – sie hatten wohl zu wenig von diesem Bier in Reagenzgläsern getrunken. “Noch eine Minute!”
Sämtliche Boote kreuzten hin und her und suchten sich den idealen, taktischen Startplatz.
“Noch 45 Sekunden, noch 30 Sekunden, noch 15 Sekunden.”
Mann, war das spannend.
“Und los.” Ach, war das süß. An die dreißig kleinen Segelschiffchen segelten in eine Richtung los. Alle Männer starrten auf ihre Boote, die nun, der eine schneller der andere langsamer, dahin trieben.
Und dann kam der Kamikaze-Segler. Jetzt wurde mir klar, dass dies ein harter Sport war. Hatte ich vorher alles als Spiel abgetan, so sollte mich das Outfit dieses Kamikaze-Seglers eines Besseren belehren. Er rannte los. Die wehenden langen Haare mit einem weißen Stirnband zusammengebunden, die Nase voraus, so dass die Beine gar nicht so schnell hinterher wollten, ein entschlossener Gesichtsausdruck. Wut, Verzweiflung, Ehrgeiz und Kampfgeist - alles in seiner sich in seinen harten Händen befindlichen Fernsteuerung vereint. Männlichkeit pur. Entschlossenheit stand in seinem Gesicht. Sieg war sein Ziel.
Und dann verlor ich ihn aus meinem Blickfeld. Sein Boot war schnell, zwar nicht ganz so schnell, wie ein anderes, aber eben schnell.
Ich gönnte mir eine Zigarettenpause. Musste sein, mein Adrenalinspiegel war auf dem höchsten Level. Ich wollte ihn siegen sehen, diesen Kamikaze-Segler. Eine Frau braucht so etwas. Männlichkeit regt an und zeigt, wie schwach man doch selber ist, insbesondere wenn man abseits auf einer Parkbank sitzt.
Und dann kam er zurückgerast. Das Stirnband noch tiefer gezogen, der Gesichtsausdruck noch kämpferischer, die Hände noch härter um die Fernsteuerung gelegt. Sein Boot lag gut im Rennen. Zweiter. Oh je, jetzt kam eine Flaute. Kein Wind, aber ich sah, dass eine Bö im Anmarsch war.
‚Machs jetzt‘, dachte ich und drückte beide Daumen. ‚Siehst du die Bö?‘ hoffte ich. Ja, der Kamikaze-Segler schien sie zu sehen, kreuzte und die Bö erfasste sein Boot und trieb es zum Ziel.
Ich sah, wie er sich den wohlverdienten Schweiß von seiner Stirn wisch, sein Boot liebevoll aus dem Wasser hob, es streichelte und auf seinen Ständer setzte – keine Anspielung.
Er streifte siegessicher sein Kamikaze-Band von der Stirn.
Kamikaze-Segler. Nur so geht’s. Ich verstehe nun, dass es ein harter Männer-Sport ist.
Er hat ein zweites weißes Stirnband verdient – fürs nächste Mal.

Denn er hat nicht nur kamikazemäßig gesegelt, sondern auch eine hervorragende Organisation gemeistert.
Borek.

(c) Monique Lhoir

[ 31. März 2003, 22:43: Beitrag editiert von: Eric ]
 

Stephan Ludwig

Moderator
Teammitglied
:D

Klasse !

Scheinbar denken alle Frauen gleich.....
 
Zitat: "Scheinbar denken alle Frauen gleich ..."

... und sie haben Recht!!!
Wir sind nämlich alle "ein bißchen Bluna". Doch gerade das mag ich an diesem Hobby. In der heutigen seriös oberflächlichen, leistungsfähigen, kommerziellen und langweiligen Welt kann man Verrückte als durchaus erfrischend empfinden.
Zumal, wenn man selber auch einer ist.

Gruß
Borek
 

Walter Ludwig

Moderator
Teammitglied
Hallo Monique,

Du hast den Vogel - tschuldigung Erpel - abgeschossen. Einfach genial.

Hoffentlich kommt ihr im Herbst wieder, wir brauchen dieses 'weibliche' Element.

Grüße nach Hamburg

P.S.
Damit nicht der Eindruck entsteht, dies sei 'reine Männersache', Dörte hat eine ganze Menge von uns - mich eingeschlossen :D - ganz schön alt aussehen lassen. Aber sie hat das sehr charmant gemacht.

[ 01. April 2003, 13:23: Beitrag editiert von: Walter Ludwig ]
 

Berni

User
Hallo Monique (via Eric),

vielen Dank für die erheiternde Darstellung unseres ach so ernsten Hobbys. Ich habe mich köstlich amüsiert und freue mich, dass Du es verstanden hast, die Anekdoten "männlicher Konsequenz" so treffend aufzuspüren.
Meine (unmaßgebliche) Meinung: Herzlichen Glückwunsch und hoffentlich kommen wir recht oft in den Genuß "fraulicher" Spitzfindigkeiten.

Einen schöpferischen Gruß aus Düsseldorf an Dich und ein herzliches "Mast und Schotbruch" an Eric aus dem schönen Düsseldorf sendet Euch

Bernhard Reimann
 

Gerald Lehr

Vereinsmitglied
Teammitglied
Hallo Monique,

klasse geschrieben, wie immer. Zum Glück gehört Dein Dich hoffentlich liebender Ehemann der schwimmenden und nicht der fliegenden Zunft an.

Denn wenn Du über unsere Abstürze schreiben würdest müßte ich wohl bitterlich weinen.

Also bleib lieber bei den Schiffen und quäle die Kapitäne :D :D - die Piloten haben es schon schwer genug *duckundwech*

Honni soit qui mal y pense
 
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