Ich hatte weiter oben ja bereits mal gepostet, dass ich persönlich ein Freund von dünnen Profilen bin und will hier mal dem Röhrich wiedersprechen.
Ich denke man darf sich nicht immer nur auf ein bestimmten Vorteil berufen, sondern muss die Gesamtheit betrachten.
Ich bin allerdings kein Profi-Aerodynamiker.
Das ist auch gut so weil ein Profi-Aerodynamiker nur die Aerodynamik im Kopf hat und nicht die Gesamtheit. Das Bild kennen vielleicht ja schon einige...
- dünne Profile sind Leistungsfähiger als dicke, weil sie weniger Stirnwiderstand besitzen (auch wenn die umströmte Fläche etwa gleich ist)
Die Stirnfläche eines Profils hat keinen Einfluß auf dessen Widerstand (mit anliegender Strömung).
Gäbe es keine Reibung dann hätte jedes Profil egal wie dick keinen Widerstand. Die Luft strömt über das Profil, wird beschleunigt bis zum dicksten Punkt und wird dann zur Hinterkante hin wieder auf die ursprüngliche Geschwindigkeit abgebremst. Kein Druckverlust, kein Widerstand.
Anders sieht es bei stumpfen Körpern (Auto etc.) aus. Hier wird die Luft auch beschleunigt, der Druck sinkt entsprechend und dann reist die Strömung an der stumpfen Hinterkante ab. Der entstandene Druckverlust erzeugt Widerstand. Die "Druckrückgewinnung" fehlt.
Zurück zum Profil mit Reibung: je dicker das Profil desto höher ist die Geschwindigkeit der Strömung am dicksten Punkt. Bei turbulenter Grenzschicht (Turbulenzprofil) steigt der Reibungswiderstand mit zunehmender Geschwindigkeit und daher steigt der Reibungswiderstand mit zunehmender Dicke. Aber das ist kein Druckwiderstand infolge der Stirnfläche...
Beim Laminarprofil gibt es noch einen anderen Effekt: je dicker das Profil und damit höher die Geschwindikeit am dicksten Punkt desto geringer ist auch der Druck am dicksten Punkt. Kurz nach dem dicksten Punkt schlägt dann die Strömung wegen des Druckanstiegs und der damit verbundenen Abbremsung der Strömung in eine turbulente Grenzschicht um. Diese turbulente Grenzschicht muss dann zur Hinterkante hin gegen den Druckanstieg ankämpfen ohne abzulösen. Dabei schafft sie mehr oder weniger immer den gleichen maximalen Druckgradienten ohne abzulösen. Daraus folgt, dass bei einem dünneren Profil aufgrund des geringeren Unterdrucks der dickste Punkt weiter hinten liegen kann und damit die Grenzschicht länger laminar gehalten werden kann und damit der Widerstand geringer ist.
- zusätzlicher Auftrieb (wenn man das braucht) wird durch Wölbung erzeugt nicht durch Dicke
- (auch dünne Profile können gewölbt werden)
So ist es, man muß dann aber bei den Schnellflugeigenschaften Einbußen hinnehmen.
- das Limit um Profile noch dünner zu machen, wird nur von der Statik/Festigkeit vorgegeben
und vom angestreben Geschwindigkeitsbereich. Klingt komisch aber ein dünnes Profil mit hoher Wölbung kann im Schnellflug schlechter als ein Profil mit gleicher Wölbung aber größerer Dicke sein. Das liegt eben daran, dass die Stirnfläche keine Rolle spielt sondern der Reibungswiderstand welcher bei dem dicken Profil bei kleinen Anstellwinkeln geringer sein kann weil die laminater Laufstrecke auf der Unterseite länger ist. Das ist aber nur ein Extrembeispiel.
Das AG35-Profil ist ürigens 8,7% dick und hat 2,3% Wölbung, das AG04 Profil ist 6,4% dick hat aber nur 1,7% Wölbung
Man muß sich da nicht wundern, dass das AG35 mehr Auftrieb erzeugen kann als das AG04 (Wölbung).
Wie würden die Daten aussehen, wenn man das AG04 auf 2,3% Wölbung oder sogar mehr verändern würde?
Dann könnte man wahrscheinlich tatsächliche die Profilsteigzahl etwas erhöhen. Die Steigzahl des Flugzeugs wird aber nur unmerklich besser weil im Langsamflug für den Flugzeugwiderstand eben der induzierte Widerstand die entscheidende Rolle spielt.
Bei der Geschwindigkeit des geringsten Sinkens (geringster Schwebeleistungsbedarf) ist der schädliche Widerstand (Profilwiderstand, Reibung, Interferenz, Druck, etc...) nur genau ein Drittel so groß wie der induzierten Widerstand (siehe
hier Gleichung 36).
Man hätte also so gut wie keine Verbesserung und hätte einen Flieger der nur noch langsam fliegen kann. Nicht umsonst gibt es keine so dünnen, stark gewölbten Profile (außer Exoten). Die Dicke ist eben nicht wichtig genug um dafür die Gesamtheit zu verschlechtern.
Ich verwende bei meinem Solarflieger übrigens das AG46-Profil (6% dick und 1,7% Wölbung).
Hier nochmal ein Beispiel wegen der Profildicke:
Bei 2m Spannweite und 20cm Flächentiefe hat ein 6% dickes Profil eine Stirnfläche von 2,4dm^2.
Mit einem 8,7% dicken Profil würde die Stirnfläche 3,48dm^2 betragen (45% mehr) und zusätzlich wird die Flächenbelastung größer, weil schwerer.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst bei geringen Geschwindigkeiten eine 45% größere Stirnfläche irgendwelche Vorteile bringen könnte, die durch andere Dinge, wie höheres maximales ca wieder kompensiert werden könnten.
Bei extrem großen ca fliegen wir in der Praxix doch sowie so nicht, oder?
Mit wieviel ca würde eigentlich z.B. ein Flieger mit 0,6kg Gewicht und 0,4m^2 Bezugsfläche bei 5m/s Speed fliegen?
Na ja, beim Deinem Beispiel wäre das ein ca von 1. Hier hat das AG35 eine dreimal höhere Steigzahl als das AG04. Mit dem AG04 müsste man dann schneller fliegen (5.5m/s bei ca 0.8) um den Nachteil wenigstens etwas auszugleichen.
Ich hab mir mal die Mühe gemacht die Profile etwas durch zu rechnen.
Zuerst das AG04 auf 2.3% Wölbung erhöht
Und dann bei Re 100'000 (Typ 2 Polare, also Re=100000 bei ca=1 was ganz gut zu Deinem Beispiel passt) die Profile mit dem AG35 verglichen. Der Vollständigkeit halber habe ich dann auch nochmal das AG35 auf 6.4% verdünnt und auch das AG46 mit verglichen.
Im Schnellflug gewinnt natürlich das AG46 (dünn, wenig Wölbung). Ab ca=0.6 ist der Widerstand größer als beim AG35.
Das AG04 ist sehr ähnlich zum AG46 aber durchweg etwas besser.
Erhöht man die Wölbung des AG04 auf 2.3% gewinnt man oberhalb von ca=0.5 und erhöht auch den Maximal-Auftrieb. Kommt aber bei weitem nicht an den Widerstand und den Maximal Auftrieb des AG35 heran.
Das verdünnte AG35 verliert deutlich an Maximal Auftrieb man gewinnt aber um ca 0.8 herum. Das könnte interessant sein.
Daher hier noch einmal der Vergleich der Steigzahlen:
Man kann sehen, dass das aufgewölbte AG04 nicht an die Steigzahl des AG35 herankommt obwohl es dünner ist. Das AG04 ist immer etwas besser als das AG46, nur im "Schnellflug" unterhalb von ca=0.3 (im Beispiel so ab 9m/s bzw. 32km/h) wird es einen Hauch besser als das AG04.
Durch das Ausdünnen des AG35 kann man die maximale Profilsteigzahl zwar noch eine Spur verbessern (3%) und gewinnt etwas im "Schnellflug"- muß dann aber die Geschwindigkeit des minimalen Sinken auch sehr genau treffen.
Dazu muss man noch im Hinterkopf haben, dass wir hier Profilsteigzahlen verglichen haben und die Unterschiede bei der Flugzeug-Steigzahl aufgrund des dominierenden Effektes des induzierten Widerstandes noch deutlich kleiner ausfallen werden.
Ich glaube es wurde offensichtlich, dass die Dicke des Profils an sich kein so wichtiger Parameter für gute Sinkleistungen eines Solarfliegers ist.
Natürlich darf sollte dickerer Flügel nicht schwerer sein als der dünne damit man nicht wieder an induziertem Widerstand zulegt. Ich tut mir aber sowieso schwer den Kern voll stehen zu lassen. Das geht ja auch hohl ohne zu großen Mehraufwand.
Hohl ist auch der bessere Weg weil ich sowieso ein Freund größerer Profiltiefen bin (so wie der Mäusebussard) was bei Massivbauweise auch zu schwereren Flügeln führt. Große Flügeltiefe weil dann die Reynoldszahlen höher sind und damit die Leistung des Profils besser wird und ich weniger Spannweite und damit Biegemomente bei gleichzeitig größerem Flächen-Trägheitsmoment habe und daher insgesamt leichter bauen kann (aber halt hohl).
Aus Profilsicht sollte man um die Sinkleistung zu verbessern das AG35 oder ähnliches dem AG04 oder AG46 vorziehen. Wenn man unbedingt will könnte man es noch ausdünnen - aber wie gesagt, damit gewinnt man so gut wie nichts und ob man das ausfliegen kann ist fraglich.