Squib - halbes Pfund im Dreieck

Das ist der Squib in seiner heutigen Form:
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Bis er da angekommen war, hat es einige Entwicklungsschritte gebraucht. Von der Idee bis zu etwas, das auch so funktioniert wie die Idee, ist es nicht immer ein gerader Weg...

Das Delta besteht aus Holz und wiegt unter 250g. War aber beides eigentlich klar, denn Squib kommt von meinem Baubrett.
 
Vorüberlegungen

Ein neuer Hangarbewohner sollte entstehen, und was in der Halbpfund-Flotte noch fehlte, war ein Delta. Davon gibt es nun schon viele, und so musste eine Idee her, damit der Neue nicht so aussieht, wie schon tausendmal gesehen.

Ich habe bewusst auch etwas “anstrengende“ Eigenschaften in Kauf genommen, denn alle anderen Modelle in meiner Garage fliegen sehr ausgeglichen - ohne Gyro natürlich. Der ist auch für den Squib bis heute nicht vorgesehen, weil unnötig.

Und so war der erste Entwurf schon auf dem Papier für Puls beim Start gut:
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Zugpropeller und ein “HLW“ à la Gloster Javelin sollten neben der recht radikalen Geometrie für genügend Eigenständigkeit sorgen. Die Anführungsstriche stehen da, weil der Flosse von vornherein keine aerodynamische Funktion zukommt: sie liegt parallel zur Profilsehne des Flügels, hat keine Ruderfläche und dient somit nur der Optik (Spoiler: Squib fliegt tatsächlich mit wie ohne Flosse gleich).

Das da unten auf dem DIN A4 Blatt ist übrigens das Seitenleitwerk in 1:1 mit der Anzeichnung für eine neutrale Lage der Höhenflosse.

Dass die 400mm Spannweite nicht sehr träge um die Längsachse sein würden, war mir schon klar. Hab ich aber verdrängt;)

Squib bedeutet übersetzt übrigens Knallfrosch. Nochn Spoiler: selten hat ein Name so gepasst.
 
Bauen

Die Zelle ist klassischer Holzbau. Eine Fläche als 1mm Balsa Vollschale und ein Kastenrumpf bergen keine Geheimnisse.

Als Profil habe ich ein 6% dickes ohne Wölbung genommen. Dabei geht es vom Holm nach hinten als gerade Linie, und vorne als handgezeichnete Linie symmetrisch zur Nasenleiste.
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Beplankung drauf und Ausschnitt für den Rumpf reinschneiden...
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...und noch etwas verschleifen - fertig. Die äusseren 25mm der Endleiste sind mit etwas Schlag nach oben fest angeklebt. Wir werden später noch davon hören:D
 
Der Rumpf ist ein kräftig verrundeter Kasten. Dank des geraden Profilverlaufs in den hinteren zwei Dritteln ist die Schnittstelle zum Rumpf ebenso gerade. Die Motorachse sitzt etwa in der Flügelebene.
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So kommt man relativ schnell weiter.
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Oben drauf dürfen es 10mm Brettchen sein, die sich sauber in Form bringen lassen.
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Zur Vervollständigung des Rohbaus fehlen noch die Kabinen- und Motorhaube:
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Die Servos sind schon an Ort und Stelle:
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Da eine gewisse Quirligkeit zu erwarten war, wollte ich für das Finish etwas gut sichtbares. Beim Hobbyfritzen gab es Oracover Fluorescent Red, das sehr tauglich schien. Das Bebügeln von dem kleinen Teil war fix erledigt, so dass ich alle Teile zur Endmontage fertig hatte:
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Die Baugruppen wurden mit Weissleim verbunden, und so war der Squib in seiner Urform komplett:
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Anlenkung:
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Untere Rumpfklappe:
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Akkufach:
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Von unten:
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Das sollte als Kontrast reichen.

Fertig zum Erstflug!
 
Erstflug

Squibs Erstflug war schon deshalb etwas besonderes, weil es der erste nach ca. 40 Modellen und 20 Jahren war, der in die Hose ging. Ich war alleine, und so habe ich wie immer selbst geworfen. Das kleine Delta legte sich schneller auf den Rücken, als ich “HÄ?“ sagen konnte und schlug etwa 10 Meter vor mir in die Wiese ein.
Kaputt war eigentlich nix, aber die 2mm Motorwelle war krumm. So ging es unverrichteter Dinge zurück in die Werkstatt. Nachdem die Welle gerichtet war, folgte der zweite Anlauf:
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Es war auch diesmal spannend, aber ich hatte die rechte Hand rechtzeitig am Knüppel. Zur Abschwächung der Rolltendenz trug sicher auch bei, dass ich für den Anfang den Propeller von 4,75x4,75“ auf 4,1x4,1“ getauscht hatte. So konnte ich bei diesem Flug zumindest die Grundeinstellung rausfinden, denn ich hatte mit der Anstellung der Elevons massiv übertrieben. Der komplette Trimmweg auf Tiefe reichte noch nicht ganz aus, aber man konnte erkennen, dass das kleine rote Ding jetzt fast wie ein Delta flog.

Das Flugbild ist klasse, und flott ist der Squib auch. Die erste Landung gelang plangemäss.

Die Ruderklappen brauchen nur einen knappen Millimeter auf hoch gestellt zu werden, der Schwerpunkt konnte da bleiben, wo ich ihn vermutet hatte.

Im Lauf der nächsten Flüge traten zwei Eigenschaften in den Vordergrund, die den Spass erheblich trübten:
- Es war nur ca. jeder 2. oder 3. Start erfolgreich.
- Es war unmöglich, einen Looping zu fliegen! Im Scheitelpunkt rastete der Squib ganz von selbst zurück in Normallage - voll irre.

Und so verbrachte der neue Vogel nach gut einem Dutzend Flügen die nächsten paar Monate an der Wand im Hangar. Denkpause.
 

madmao

User
Hallo Holger,

Könnte das T-Leitwerk ev. das Problem sein, dass es beim normalen fliegen zwar geht, bei Spezialsituationen aber unerwünscht wirkt?

Grüsse Florian
 
Wenn der Rückenflug an sich geht, tippe ich mal auf mangelnde Längsstabilität und Schwerpunkt recht weit oben. dann drehts den im Scheitelpunkt raus. Aussen-/Rückenflugloopings müssten dann aber gehen..
 
Es könnte auch sein, dass beim Looping das Höhenruder im Windschatten des Flögels ist und dasModell im Scheitelpunkt zu langsam ist. Ist aber nur eine Vermutung aus der Ferne.

Franz
 
Hallo Holger,

Könnte das T-Leitwerk ev. das Problem sein, dass es beim normalen fliegen zwar geht,...
Nee, das habe ich bei einem Probeflug ohne die Flosse ausgeschlossen (siehe Spoiler weiter oben).

Nachdem er lange genug an der Wand herumgehangen hatte und F.H. Leistens Deltabuch auch keine Idee gebracht hat, habe ich halt meine eigene Theorie entwickelt. Und die schob den starren Aussenteilen der Endleiste, genauer deren Anstellung die Schuld in die Schuhe.

Getreu der alten Regel, immer nur einen Parameter zu verändern, habe ich mich also zunächst nur um die Sache mit dem Looping gekümmert.

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Vorher

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Nachher

Die nun im Strak stehenden Endstücke taten auch dem Gesamtbild gut, Squib wirkt mehr aus einem Guss:
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Zur Flugerprobung musste ich dann noch auf einen Tag mit reichlich Wind warten, denn der erleichtert den Start (im Rahmen des möglichen).
 
Fliegen mit Squib evo 1

Steifer Südwest und volle Akkus - Zeit für den nächsten Werkstattflug.
Dank Wind klappt das diesmal beim ersten Versuch, auch wenn sich natürlich an der Wibbelei um die Längsachse beim Start nichts verändert hat.

Squib benimmt sich ganz normal beim Rundenfliegen, also Nase in den Wind und ziehen. Oben angekommen, fliegt er den Loop einfach weiter und lässt sich völlig harmlos abfangen.

Die angestellten Endstücke waren eine aerodynamische Schnapsidee. Im Gegensatz zu Sebastians Vermutung war das Ding nicht instabil, sondern im Gegenteil überstabil um die Längsachse. Das erklärt auch das ständige Pendeln mit den Flügelspitzen, das mit der neuen Konfiguration aber schon sehr nachgelassen hat.

Die Freude über den ausgetriebenen Gremlin wude aber schon wenig später von der Wirklichkeit eingeholt, denn die Starterei hatte sich nicht verbessert. Was soll ich mit einem Vogel, der bei jedem zweiten Startversuch im Dreck liegt?

Zumal es im Hangar einen nahen Verwandten gibt, dem solche Allüren völlig fremd sind:
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Delta Hawk muss ich einfach nur mit Vollgas loslassen, dann zieht er geradeaus weg. Ohne Kreisel.

Für die Startmisere beim Squib gibt es drei mögliche Lösungen:

1. Katapult/flitschen
2. Gyro
3. Auslegung berichtigen.

1. und 2. fallen unter Schnickschnack und kommen nicht in Frage.

Für 3. werfen wir mal kurz einen Blick auf eine Geometriegrösse, die die beiden unterscheidet: das Verhältnis von Spannweite zu Wurzeltiefe.
Das beträgt beim Delta Hawk 1,5:1, während Squib mit 1,33:1 daherkommt.
Angesichts der geringeren Grösse wollte ich beim Squib etwas mehr als 1,5:1, also zum Beispiel 1,66:1. Das entspricht 500mm Spannweite anstelle der aktuellen 400mm.

Und schon hatte ich die nächste Denkaufgabe: wie kriege ich den verbreitert, ohne die ganze Erscheinung zu verhunzen?

Pause...
 
Zuletzt bearbeitet:

StephanB

Vereinsmitglied
Ich habe mal in einem ähnlichen Falle ein Modell durch das Aufkleben von Grenzschichtzäunen bei rund 60-70 % der Spannweite zähmen können. Ein Versuch hat den Charme, nur provisorisch mit Tesafilm aufgeklebt bereits zu zeigen, ob sinnvoll. Wenn nicht, einfach wieder ab und es ist nix passiert. Aufwand minimal.
In meinem Falle wurde aus einer Zicke um die Längsachse ein gut beherrschbares Modell.
Gruß
Stephan
 

Dix

User
Na Holger,

die Lösung hast Du doch in Deinem ersten Bild verraten. Also mach es nicht so spannend...

Dem sehr stark gepfeilten Flügel im Außenbereich mit einem gezielten Tütenwirbel nochmal eine Portion Strömung zu spendieren ist heute kein Geheimnis mehr. (Sehr viele Jets haben das...)
Daher führt Stephans Hinweis mit dem Grenzschichtzaun und Deine Sägezahn-Öhrchen in die selbe Richtung...

Wie ist denn das Flügelchen überhaupt verschränkt? Alles vollsymmetrisch? Ich glaube beim auf-dem-Tisch-ohne-Helling-zusammenkleben baust Du eine Schränkung mit ein. Die wirkt verstärkt mit den Ansteckohren. (Mehr Streckung!)

Hat das Dreieckchen im Scheitelpunkt immer auf die selbe Seite rausgedreht? Oder links/rechts nach Belieben?
 
Stimmt Dirk,
der Sägezahn (dog tooth, Tiefensprung) kann nicht schaden. Ob er in diesem Maßstab wirklich den von Dir beschriebenen Effekt hat, wage ich nicht zu beurteilen.

Tatsächlich ist die Lösung entstanden, weil ein einfaches Weiterführen der Nasenleiste zu einem spitzen Randbogen geführt hätte, was ich nicht wollte.

Verwindung gibt es keine, genau wegen der Bauweise mit dem Tisch als “Helling“. Das einzige, was Schränkung gemacht hat, waren die angestellten Endstücke - den Effekt kennen wir ja jetzt.

Das Rausdrehen war mehr von der Windrichtung abhängig als sonstwas;D

Später kommen noch Bilder von den Ohren...
 
Von 400 zu 500mm

Auch wenn die Lösung naheliegend aussieht, hat es etwas gedauert, bis sie im Kopf fertig war. Die Umsetzung ging dann so:

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Randbögen abtrennen und die Ohren als 1mm Balsaschale mit dem Profil des abgetrennten Randbogens bauen.

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Ohren bebügeln

Anhang anzeigen 12189216
Ohren ankleben

Beim Anbringen der Ohren hilft auch wieder die Bauweise auf dem platten Tisch, denn so können beide Seiten auf einfache Weise sauber ausgerichtet verklebt werden.

Die Kabinenhaube hatte ich inzwischen anderweitig verwendet. Die neue wurde etwas anders gestaltet, denn die Vollsichthaube war im Flug praktisch unsichtbar. Deshalb wurde die neu tiefgezogene Haube von innen im hinteren Teil blau lackiert, was das Gesamtbild neben den neuen Flügelspitzen doch spürbar verändert:

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Hier mal mit dem Sender als Größenvergleich:
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Jetzt muss er nur noch fliegen.
 
Fliegen mit Squib evo 2

Auch bei diesem ersten Flug in der neuen Konfiguration habe ich einen einigermaßen windigen Tag gewählt - man weiss ja nie.
Vollgas rein und mit Schmackes gerade weggepfeffert, und tatsächlich zieht der Squib ohne zu mucken sanft steigend weg. Die zusätzliche Spannweite ist in jeder Hinsicht ein Gewinn, denn die Sichtbarkeit ist gut und das Pendeln um die Längsachse komplett verschwunden.

Rollen kommen schön rund, und die Geschwindigkeit mit dem 12x10cm (4,7x4“) CamSpeed Prop ist ganz ordentlich. Demnächst werde ich das noch mit 12cm (4,7“) Steigung probieren.

Squib evo 2 hat jetzt schon fünf Starts in Folge auf diese Weise hinter sich, das gab es mit 400mm Spannweite nie.
Zum Osterfliegen habe ich beim Club nebenan gegastelt, und ein netter Kollege hat sich erbarmt, das quirlige Ding mit meinem Smartie zu knipsen. Dass dabei nicht viel mehr als ein Fliegenschiss am Himmel herauskommen kann, dürfte klar sein, aber immerhin gibt es erstmals Flugbilder des kleinen Dreiecks:

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nicht lachen, sondern reinzoomen!

So ist aus dem ursprünglichen Entwurf mit etwas nachdenken und modifizieren doch noch ein normaler Hangarbewohner geworden, also ein Modell, das man einfach in den Kofferraum laden und auf der Fliegewiese rauswerfen kann. Es wäre schade gewesen, wenn das nicht geklappt hätte, denn das Ding hat Charakter - optisch und fliegerisch.
Der Grundentwurf war von Anfang an richtig, aber ab einer gewissen Grösse/Winzigkeit gehen kleine Grenzüberschreitungen sehr zu Lasten der Alltagstauglichkeit.
Wer einen Werfer zur Verfügung hat oder jedesmal eine Startvorrichtung aufbauen will, der kommt auch mit einem 400mm Squib klar.
Beides ist für mich keine Option, und deshalb musste ich eben so lange entwickeln, bis es passt.

Zu guter letzt noch die Skizze mit dem aktuellen Entwicklungsstand, sogar mit Angabe des Schwerpunkts. Nur für den Fall, dass jemand verrückt genug ist, sich so einen Wachmacher in den Hangar zu holen;)

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links der Grundriss der Ohren
 
Ja, so macht der Squib Spass.
Klar braucht er einen zackigen Wurf, aber dann fliegt er auch. Was so 5cm Ohren doch bewirken...

Ich verweise seit heute die neuen Wirbel durch die Sägezähne nicht mehr ins Reich der Spekulation, denn es gibt ein Zischeln bei Vollgas, das vorher nicht da war. Das Geräusch ist eindeutig aerodynamischen Ursprungs, und weil ich sonst nix verändert habe, wird es wohl an den drangebauten Ohren liegen.

Hier noch ein paar Schnappschüsse im Cheese-Selfiemodus:

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der Wind kam von links, deshalb war bei Vorbeiflügen in die andere Richtung nur ein roter Klecks drauf
 
Squib bei Windstille

Zum ersten Mal überhaupt war der Squib heute bei Windstille draussen. Das war mit der ursprünglichen Auslegung undenkbar, ist aber jetzt kein Problem - solange der Werfer (also ich) voll bei der Sache ist.
Eingelullt von den ersten beiden Starts, bei denen das Minidelta praktisch ohne Korrekturen davonstieg, habe ich beim dritten Akku wohl nicht so richtig durchgezogen. Squib sackte durch und lag 20m weiter wieder im Gras, allerdings ohne sich auf den Rücken gedreht zu haben, also sozusagen ein Bauchflatscher.
Kurz den Propeller geraderücken, und mit dem nächsten richtigen Wurf war er in der Luft.

Squib hat damit den Stand erreicht, den ich für alle meine Modelle haben will, nämlich unabhängig von Wetter und Fluggelände einfach Akku anklemmen und raus.
 
Squib ohne "T"

Bei den heutigen, ziemlich heftigen Bedingungen habe ich den Squib nochmal ohne das "HLW" ausprobiert. Und tatsächlich liegt er ohne die Flosse klar ruhiger, die Ruderreaktionen sind linearer und die Rollen runder.

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Das (eigentlich eh funktionslose) Leitwerk bleibt also jetzt zuhause, und beim nächsten Mal mit weniger Sturm wird der Squib weiter erprobt.

Man kann anscheinend keine Teile dranbauen, die  nix bewirken...
 
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