Woher wisst ihr, ob ihr mit dem richtigen Einstellwinkel fliegt ?

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Grüße die Herrn Theoretiker und Praktiker

Es gibt viele Winkel an einem Flieger... und es wurde auch über viele von diesen Winkeln berichtet und diskutiert. Über den richtigen Einstellwinkel allerdings nur wenig. Sollte ich mich da getäuscht haben und es doch schon zielführend erörtert worden sein, so könnte man das Thema evt. wieder einstampfen.

Vorab, ... es geht mir hier in erster Linie um den richtigen Einstellwinkel am antriegslosen Segelflugzeug!
Motorbetriebene Modelle leben ja im Wesentlichen von der zugeführten Energie, und haben in der Regel auch andere Anforderungen, wobei natürlich auch für sie ein richtiger Einstellwinkel maßgebend ist.
Aber, eben für einen Jet, 3d Kunstflieger oder Schleppmaschine andere Betrachtungspunkte gelten.
Ein Segelflugzeug gleitet über die schiefe Ebene ab und erfreut sich an möglichst wenig Luftwiderstand durch unterschiedliche Pararmeter wie richtiges Profil....ect.!

Für mich hat sich neuerdings die Frage gestellt:
Fliege ich mit dem richtigen Einstellwinkel, also dem Winkel der Profilsehne (Tragfläche) zum Rumpf; unabhängig vom Anstellwinkel der Tragfläche und EWD.

Für das Auge ist das ja nicht immer gut zu erkennen. Es sei den das Rumpfende hängt deutlich nach unten.
Aber in der Regel und idealer Weise zeigt die Rumpfnase leicht nach unten um der Flugbahn zu folgen. Der Rumpf liegt sozusagen wiederstandsarm in der Strömung, also die Rumpfsehne parallel zur Strömung / Flugbahn, dem Gleitpfad.

Da ich aktuell für meine vorhande Fläche einen neuen Rumpf anpasse und nun den richtigen Einstellwinkel dazu benötige, stellt sich diese Frage.

Zur visuellen Veranschaulichung nochmals ein Bild von der Seite, Quelle www.segelflugausbildung.de

5_2_3.jpg
 
Gibt sicher Leute die das ausrechnen können. Ich nicht.
Ideal ist es natürlich wenn die Strömung bei der Geschwindigkeit fürs beste Gleiten, genau parallel zur Längsachse ist.
Das kann man heutzutage leicht mit einer Kamera und einem Wollfaden feststellen.
 
Gibt sicher Leute die das ausrechnen können. Ich nicht.
Mit den Grundrechenarten wirst Du doch wohl zurechtkommen?

Für den Einstellwinkel des Flügels bei genau in Flugrichtung ausgerichtetem Rumpf brauchts Du ein paar Annahmen über dein Flugzeug.
Wie schwer wird das Ding sein?
Wie schnell wird es fliegen?
Das hängt von den Zielvorstellungen ab (Thermiksegler, Hangsegler, ... ) und von der Bauart (Glasfaserbomber, Holzspreisel, ... ).

Wenn Du das Gewicht in etwa kennst, in Kilogramm [kg], und abschätzen kannst, wie schnell es fliegt, in Meter pro Sekunde [m/s], dann kannst Du ausrechnen, welchen Auftriebsbeiwert das Profil liefern muss.

Die Auftriebskraft [N] ist gleich der Gewichtskraft (100 Gramm wiegen 1N).
Dann brauchst Du noch die Luftdichte, Wikipedia sagt dazu für Normaldruck und 20°C: Rho(Luft) = 1,204 kg/m^3.

Und nun musst Du Dich mit einer Formel anfreunden:

F(Auftrieb) [N] = cl * A [m^2] * Rho(Luft) [kg/m^3] * 1/2 * v^2 ([m^2/s^2]

F[Auftrieb) ist die Auftriebskraft in der Einheit Newton [N], die Du brauchst, damit das Gewicht des Modells getragen wird.
cl ist ein reiner Zahlenwert, der charakteristisch ist für das Profil.
A ist die Flügelfläche in Quadratmetern [m^2].
Rho(Luft) ist die Luftdichte, in der Du fliegen willst in [kg/m^3]. Fliegst Du im Winter an der Küste, ist sie höher als im Hochsommer in den Bergen. Werte findest Du z.B. bei Wikipedia (Stichwort Luft).


v ist die Fluggeschwindigkeit in Meter pro Sekunde [m/s].
F kennst Du wegen des Gewichts.
A hast Du selber gebaut, ist Dir also auch bekannt.
Rho nimmst Du aus dem Lexikon.
v hast Du abgeschätzt.
1/2 ist gleich 0,5.

Du suchst nun cl.
Stell die Gleichung so um, dass da steht:

cl = F / (A * Rho * 1/2 * v^2) ( Die Klammerregeln sind Dir bekannt? Erst ausrechnen, was in der Klammer steht, dann F dadurch teilen.)

Da Du den Flügel gebaut hast, kennst Du auch die Bezeichnung des Profils (hoffentlich).
Die suchst Du in http://airfoiltools.com/search/index.
In den Diagrammen, die da gezeigt werden, sind zwei besonders interessant:
RG 15.JPG

Das obere zeigt Dir den Auftriebsbeiwert cl, aufgetragen über dem Anstellwinkel alpha in Grad [Grad].
Geh also links in der senkrechten Achse auf das ausgerechnete cl und ziehe mit dem Lineal eine waagerechte Linie nach rechts.
Die schneidet die dargestellte Kurve.
Von dem Schnittpunkt gehst Du senkrecht nach unten, und liest den Wert für den Anstellwinkel ab.
Da der Rumpf parallel zur Flugrichtung liegen soll, ist das auch der Einstellwinkel.

Diesen Winkel suchst Du nun im unteren Diagram auf der horizontalen Achse auf und gehst senkrecht nach oben zur Kurve.
Wenn Du irgendwo unten in der "Badewanne" landest, ist es gut. Landest Du auf einem der nach oben zeigenden Äste, fliegst Du mit der falschen Geschwindigkeit oder hast Dir das falsche Profil ausgesucht.
Sollte das der Fall sein: da capo al fine.
 
Für den Einstellwinkel des Flügels bei genau in Flugrichtung ausgerichtetem Rumpf brauchts Du ein paar Annahmen über dein Flugzeug.
Wie schwer wird das Ding sein?
Wie schnell wird es fliegen?
Das hängt von den Zielvorstellungen ab (Thermiksegler, Hangsegler, ... ) und von der Bauart

Das ist schon mal eine Ansage und eine echte Hilfe von dir. 👍👍
Danke für deine Mühe.

Ich bin sicher das dies von der Theorie schon mal für viele sehr hilfreich ist.
 

RWA

User
Ich habe ein Modell da zeigte in Normalfluglage die Rumpfnase für mein ästhetisches Empfinden zu stark nach unten, also habe ich den Flügel hinten unterlegt, die EWD am Höhenleitwerk angepasst und jetzt fliegt es mit der Rumpflängsachse etwas flacher zur Flugrichtung was mir viel besser gefällt, leistungsmäßig kann ich keinen Unterschied feststellen.


Roland
 

RWA

User
Naja, ohne Kanalarbeit dürfte es auch schwer nachweisbar sein ;)
Schon richtig, aber was ich sagen will ist, dass man ohne weiteres rumprobieren kann ohne eine Wissenschaft draus zu machen und vor allem ohne zu riskieren dass das Ding danach nicht mehr fliegt.
An selbem Modell habe ich auch den Rumpf verkürzt und die V-Stellung verringert, alles wegen Optik und in meinem Dunstkreis fliegen noch 3 baugleiche aber ohne Änderungen und nicht nur ich kann keinen Unterschied erkennen wenn wir gemeinsam fliegen.

Es handelt sich um einen Kohle-DLG wo sich nach meiner Erfahrung die "ruhige Hand" am Sender eh mehr auswirkt als ein 2 oder 3 Grad unterschiedlich angestellter Flügel oder 20g Gewichtsunterschied oder ein 50 oder 75mm längerer Rumpf.

Und im "Kanal" fliege ich überhaupt nicht, ob es da messbare Unterschiede gibt, spielt für mich ganz praktisch keine Rolle.

Roland
 
Zuletzt bearbeitet:
Letztlich ist es eine subjektive Sache und es gibt nicht "die eine richtige EWD" für alle.
Da hast Du völlig recht.
Nachdem man sich mit der beschriebenen Rechnung einen Überblick darüber verschafft hat, wie die Tragfläche(n) relativ zum Rumpf angeordnet werden könnten (geht natürlich auch ganz anders), muss man die Einstellwinkeldifferenz, also den Unterschied zwischen Einstellwinkel der Fläche zum Einstellwinkel des Leitwerks herausfinden.
Da kann es schon mal sein, dass die beiden Flächen +2,13° gegen die Rumpfachse positioniert werden (Clark Y, Unteseite parallel zur Rumpfachse) und das Leitwerk um +4°, weil es im Downwash der beiden Tragflächen liegt ... wie z.B. bei der Fokker D VII.
Hab' ich auch mal anders versucht ... fliegt nicht gut.

Im Übrigen hat jeder seine eigene Methode, die für ihn die einzig richtige ist.
Und wenn einer fragt, dann erteile ich gern unverbindliche Auskunft, wie ich es mache.
 
@Experimentalhans gute Erklärung, ich möchte noch hinzufügen dass die Polaren für einen unendlichen Flügel gelten, ein typischer Flügelgrundriss hat etwa 10% induzierten Widerstand, wodurch wir ein etwas größeres Cl benötigen.

Ah noch eine Zwischenfrage zum Verständnis: warum darf das Höhenruder eines Gleitflugzeugs aufgrund der Effizient nicht dauerhaft ebenfalls Auftrieb erzeugen wie bei einem Shocky? Würde man sich damit nicht etwas Tragflächenspannweite sparen?
 
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UweH

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mipme_kampfkoloss

Vereinsmitglied
Teammitglied
Also wenn es wirklich um den optimalen Anstellwinkel des Rumpfes zur Strömung geht (und damit um den Winkel zwischen Rumpfachse und Fläche) und nicht um die EWD, dann werden dir einfache Methoden nicht den Weg weisen können. Für minimale Widerstände helfen dann nur CFD Simulationen, weil es da ja stark auf die Rumpfform ankommt und wie man im Arbeitspunkt an den meisten Stellen des Rumpfes die Strömung laminar halten kann.

Sonst würde ich einfach mal sagen, Pi * Daumen ein paar Grad nach unten sollte der Rumpf zeigen beim optimalen Gleiten.
Dazu kann man sich aus den Profilmomenten der Profile und der EWD den Anstellwinkel des gesamten Flugzeugs ausrechnen und die Längsachse des Rumpfes danach ausrichten.
 

Window

User
Die angemessene EWD richtet sich u.a. Nach Sp Wahl bzw Stabilitätsmass ( nicht umgekehrt ) . Für größere Projekte mit komplexer EwD Rumpfanformung sind die dargestellten Polarableitungen (s.o. ) hilfreich und in diversen Programmen integriert . Momente und Ausgleich kommen noch dazu bzgl Längsstabilität . Viel Freude, Glück und Erfolg, Claus🍀
 

UweH

User
Ich habe ein Modell da zeigte in Normalfluglage die Rumpfnase für mein ästhetisches Empfinden zu stark nach unten, also habe ich den Flügel hinten unterlegt, die EWD am Höhenleitwerk angepasst und jetzt fliegt es mit der Rumpflängsachse etwas flacher zur Flugrichtung was mir viel besser gefällt, leistungsmäßig kann ich keinen Unterschied feststellen.


Roland

Hallo Roland, genau um das geht es hier!
Ein Modell sollte eben zu seiner Flugbahn passed den richtigen Einstellwinkel haben, damit der Rumpf wiederstandsarm in der Strömung liegt. Ob das nun deinem Empfinden nach zu stark nach unten geneigt ist, unterliegt zwar deinem ästhetischen Empfinden, aber nicht der günstigsten Aerodynamik. Wenn das zu auffällig ist, solltest du eben deinen Einstellwinkel bezüglich deiner Profileigenschaften überprüfen.
Genau deshalb habe ich diesen Bericht ins Leben gerufen.
Klar, daß du mit so einem leichten Flieger optisch kaum wahr nimmst, ob du dich im Vergleich zu deinen Referenzmodellen verbessert hast oder nicht. Bei größeren Geschwindigkeiten wie z.B. im DS Flug, steht das schon in einem ganz andere Verhältnis. In Uwe's link, eins drüber, gezeigten Diagram ist das schön veranschaulicht.
Also wenn es wirklich um den optimalen Anstellwinkel des Rumpfes zur Strömung geht
... Ja....

Ah noch eine Zwischenfrage zum Verständnis: warum darf das Höhenruder eines Gleitflugzeugs aufgrund der Effizient nicht dauerhaft ebenfalls Auftrieb erzeugen wie bei einem Shocky? Würde man sich damit nicht etwas Tragflächenspannweite sparen?

Johannes, ein Höhenruder ist primär kein Ruder das die Höhe steuert, sondern den Anstellwinkel deiner Fläche die dadurch den Auftrieb ändert, und somit dein Höhenverhältnis.
Aus diesem Grund hat es nix mit deiner Tragkraft deiner Tragfläche zu tun oder Einfluß. Da brauchst du dann einen Doppeldecker dazu :)

Aber ein zu steil angestelltes HR macht keinen Auftrieb, weil du es ja mit dem Ruderblatt des Höhenleitwerks aerodynamisch nach unten drückst.
Sondern nur Wiederstand.
 
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