Der „schnellste Papierflieger der Welt“
von Frank Zeidler.
von Frank Zeidler.
Eigentlich war alles wie immer, die Flugsaison war zu Ende und ich begann die besuchten Veranstaltungen des letzten Jahres Revue passieren zu lassen sowie die Ideen für neue Projekte zu bündeln. So entstand der Wunsch, ein neues, aber leichtes Großmodell zu bauen. Ein Baukastenmodell sollte es diesmal nicht werden und ich wollte, die Balsaknappheit ahnend, ein neues Material ausprobieren, eine papierbeschichtete Leichtbauplatte namens KAPAline®.
Der Ein oder Andere kennt sicher die Modelle aus dem braunen FoamBoard der Firma FliteTest und so in etwa muss man sich KAPAline® vorstellen, nur halt in Weiß.
Laut Hersteller ist KAPAline® „… eine Leichtstoffplatte mit Chromoersatzkarton-Deckschichten. Eine klassische Deko-, Siebdruck- und Stanzplatte für alle gestalterischen Arbeiten, Modellbau und....“, ich würde es papierbeschichtetes Depron nennen. Zu beziehen über Firmen, die Architekten oder Werbefirmen beliefern, privat auch durch die Firma Modulor in Berlin mit Webshop. Die Platten gibt es in verschiedenen Größen ab 50 x 70cm sowie in den Dicken 3 mm/5 mm/10 mm/15 mm und 20 mm. Des Weiteren wird KAPAline® noch mit andern Oberflächen z. B. als KAPA-Mount® und KAPA-Plast® angeboten. KAPAline® lässt sich hervorragend mit einem Cutter-Messer, einer Schleifmaschine oder einem Locheisen bearbeiten Am besten kann es mit einem 1 mm Fräser in Spanten und Rippen zerteilt werden. Es kann mit allen mir bekannten Klebern vom Holzkaltleim über Harze bis hin zu jedem Sekundenkleber verklebt werden. Auch Aktivatorspray, Nitroverdünnung, Spannlack oder Bügelfolie habe ich mittlerweile mit KAPAline® in Verbindung gebracht, ohne dass der Schaumstoffkern irgendwelche Auflösungserscheinungen zeigte.
Nachdem ein paar Spanten und Rippen als Handmuster fertiggestellt waren, begeisterten mich neben der schnellen Bearbeitbarkeit vor allem die Stabilität und das geringe Gewicht der Teile aus KAPAline®. Was lag also näher, als mein Projekt eines leichten Großmodells kurz nach hinten zu stellen und erst mal das „neue“ Material ausgiebig auf seine Modellbautauglichkeit zu testen.
Begonnen habe ich mit einer Gegenüberstellung der Gewichte.
Material | g/m² | Material | g/m² |
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Balsa W 1 mm | 100 | Birke Sperrholz 0,8 mm | 513 |
Balsa M 1 mm | 160 | Birke Sperrholz 1 mm | 866 |
Balsa H 1 mm | 220 | Birke Sperrholz 1,5 mm | 1154 |
Birke Sperrholz 2 mm | 1924 | ||
Balsa W 2 mm | 200 | | |
Balsa M 2 mm | 320 | Decoflex Gabun | 337 |
Balsa H 2 mm | 440 | Microwood Ahorn | 385 |
| | ||
Balsa W 3 mm | 300 | KAPAline® 3 mm | 566 |
Balsa M 3 mm | 480 | KAPAline® 5 mm | 663 |
Balsa H 3 mm | 660 | | |
Danach habe ich diverse Klebeversuche sowie Knick- und Biegetests durchgeführt und mit dem mir bekannten Depron, Balsa und Sperrholz verglichen. Das Ergebnis war einfach Spitze. Da war die Idee geboren, Rippen oder andere formgebende Teile bei meinem nächsten Großmodell aus KAPAline® zu fertigen.
Es musste also ein einfach zu bauendes, aber auch aufsehenerregendes Test-Modell her.
Wahrscheinlich können sich die Älteren von Euch an die F-18 aus der FMT Juni 1994 erinnern. Ich hatte sie damals nach dem beigefügtem Plan mit einem 1,76 cm³ OS-MAX ohne jegliche Drosselmöglichkeit gebaut, nachdem ein Vereinskamerad mit Speed 400 und einem achtzelligen NiCd-Akku meine Leidenschaft für dieses Modell geweckt hatte. Lang ist es her, aber irgendwie kam meine Erinnerung wieder und Teile vom alte Plan ans Tageslicht.
Zum Glück gehört das F 18-Modell aus der FMT von 1994 mit seinem Kastenrumpf und der Clark Y Tragfläche samt gerader Unterseite zu den einfachen Modellkonstruktionen. Es war daher ein verhältnismäßig überschaubarer Aufwand, den Plan als Vektorgrafik für meine CNC-Fräse neu aufzubereiten.
Für die 35 Teile (67 inklusive aller Füllteile) wurden daraufhin zwei KAPAline®-Platten 50x70 cm mit einer Dicke von 3 mm kurz und klein gefräst. Mit feinstem 400 Schleifschwamm habe ich das Papier der Decklagen an den Kanten „entgratet“, dies ging besser als gedacht. Auf der Waage ergab dann der vollständige Frästeilesatz ein Gewicht von 220 g.
Das Foto der Frästeile zeigt sehr gut ein paar Vorteile von KAPAline® im Format 50x70 cm. Der Kern aus Hartschaum und das beidseitig aufgebrachte, mehrlagige Papier ergeben einen Werkstoff, der keinerlei Maserung oder Faserrichtung wie z. B. Balsaholz aufweist. Die beiden Deckschichten erzeugen einen Effekt, wie man ihn aus der klassischen Sandwich-Bauweise von GfK-Modellen kennt und damit eine sehr viel höhere Stabilität aufweist wie z. B. Depron. Es ist völlig egal, wie man die Teile anordnet, nur der Platz für die Fräsbahnen sollte beachtet werden
Zum Bau des Modells ist nicht viel zu sagen. Auf Grund der Konstruktion beschränkt sich das eigentliche Bauen mehr auf Passen und Fügen. Verklebt habe ich überwiegend mit dünnflüssigem Sekundenkleber.
Die Fotos geben einen kurzen Einblick. Zu beachten wäre die Konstruktion des Hauptholmes. Er besteht nur aus 3 mm KAPAline® hochkant, natürlich für die Positionierung der Rippen bis zur Hälfte ausgespart. Etwas Holz kommt auch zum Einsatz. So sind die Nasenleiste, die Ecken am Rumpf und Teile am Höhen- und Querruder aus Kiefernleisten. Balsaholz fand ebenfalls Verwendung als Rumpfspitze und als Tragflächenbeplankung (1 mm). Nachdem Servos und Regler montiert sowie die Verkabelung ausgeführt waren, habe ich die Fläche mit Holzkaltleim auf den Kastenrumpf geklebt. Nach dem Trocknen ist die Tragfläche von mir im klassischen Spannlackverfahren mit Seide bespannt worden. Mittlerweile hat sich auch normale Bügelfolie bewährt. Der obligatorische Zwischenstand: 440 g für das rohbaufertige Modell. Die Montage des Brushless-Motors, der Ruder und deren Anlenkung, sowie die mehrmalige Spannlackbehandlung des gesamten Modells stellten die abschließenden Arbeiten dar. Für das Finish griff ich auf eine handelsübliche Grundierung aus der Dose zurück, die ich nach dem Trocknen noch mit etwas Schleifleinen bearbeitete. Ich konnte so die kleinen Bausünden überdecken und eine 1a „Militär Optik“ erzielen.
Das abschließende Aufbringen der Aufkleber (wichtig für die Lageerkennung beim Fliegen) und der Einbau des Empfängers, sowie des 3s 2200 mAh Lipo-Akkus ergab dann ein Abfluggewicht von 895 g, bei 0,8 m Spannweite und 1 m Länge. Ein guter Wert für ein klassisch gebautes Flugmodell in dieser Leistungsklasse.
Tja, und nun der Jungfernflug. Dass die alte F-18 aus der FMT flog, wusste ich. Das sich mein Modell stabil anfasste, merkte ich, aber was der, aus einem alten 70 mm-Impeller demontierte Motor mit der 6x4 Zoll Luftschraube bei rund 20.000 Umdrehungen für ein Grinsen in mein Gesicht zauberte, das glaubt man nicht. Die KAPAline® F-18 ist über 100 km/h schnell und mit reichlich Expo samtweich zu fliegen. Zudem ermöglicht das geringe Gewicht problemlose Landungen. Bei dem hier eingebauten Motor sind auch Handstarts (ohne Helfer) kein Problem. Auch das typische Wegrollen beim Durchstarten ist bei den etwa 300 W Motorleistung nicht zu spüren. Einfach ein tolles Modell, das nichts von seinen alten Genen verloren hat.
Mittlerweile ist dieser Jungfernflug fast 10 Jahre her und ich habe schon viele F 18-Modelle mit den unterschiedlichsten Motorisierungen gebaut. So gibt es Modelle für einen Verbandsflug und Überlegungen für einen Huckepack-Impeller. Aber das ist Zukunftsmusik...
Bereits realisiert sind zwei KAPAline®-Piper J3 mit 1,8 m Spannweite.
Und natürlich mein Großmodell einer Verkehrsmaschine aus den Anfängen der Lufthansa. Eine Dornier Merkur mit 3,58 m Spannweite, ebenfalls aus KAPAline®, mit einem 66 cm³-Boxermotor und Elektrik 17 kg + 3 kg Blei wegen eines Konstruktionsfehlers von mir.
Jungfernflug Merkur
Die (vielen) F-18, Pipers und meine Dornier haben mittlerweile unzählige Flüge ohne erkennbare Auflösungserscheinungen hinter sich gebracht. Auch unsanfte Landungen konnten das Tragwerk nie zerstören. Damit ist KAPAline® aus meiner und vielleicht auch aus manch' anderer Werkstatt bald nicht mehr wegzudenken.
F18 Demoflug
Und, das sei nur am Rande erwähnt, wurde beim Modellflugtag des MFC-Osnabrück meine aktuelle KAPAline® F-18 (4S 4000 mAh Lipo/Motor 800 W/1280 g und über 200 km/h schnell) vom unermüdlichen Hermann als der schnellste Papierflieger der Welt über Achmer bezeichnet. Immer noch mit einem Hauptholm aus 3 mm KAPAline®, allerding ohne Balsaholz, sondern mit Decoflex Furnier beplankt, mein „neuestes“ Baumaterial. Doch das probiert einmal selbst aus.
Holm und Rippenbruch - Frank aus Kagel
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