Thermik-Zentrier-Automatik?

Jan,
ich versuche das Phänomen und die Abläufe eines Spiralsturzes mit Hilfe eines Dir halbwegs bekannten Modells, dem Super-Diablotin :D , zu erklären.

Spiralsturz und Größe des Seitenleitwerks
Stell Dir vor, Du fliegst im Messerflug und Du schaltest den Motor aus. Was passiert mit Deinem Super-Diablotin? Er geht in einen senkrechten Sturz über. Warum fällt er nicht einfach quer horizontal - Rumpf parallel zum Horizont - dem Erdboden entgegen? Weil er ein Seitenleitwerk hat. Würden wir ihm das nehmen, würde der Rumpf einigermaßen parallel in der Luft bleiben, aber dank Seitenleitwerk geht die Rumpfspitze nach unten.

Fliegen wir nun einen Kreis mit 90° Querlage mit Deinem Super-Diablotin, mit kräftig Gas und gezogenem Höhenruder. Jetzt nehmen wir wieder das Gas heraus. In welche Richtung er fällt ist klar: nach unten. Aber welche Richtungsänderung macht er dabei? Die Schnauze dreht sich dem Erdboden entgegen, das ganze endet wieder im senkrechten Kurven-Sturz, dem Seitenleitwerk sei dank. Das wäre also bereits ein erster Spiralsturz Fall!

Jetzt stell Dir mal vor, wir konnten ;) oder wollten :D uns keinen Antrieb leisten. Wir befinden uns im Kurvenflug und überziehen etwas. Der Flieger kippt dann etwas über den kurveninneren Flügel ab, der Kreisradius wird enger. Jetzt greift das Seitenleitwerk dummerweise genau so ein, wie beim Kreis mit Deinem Super-Diablotin, wenn wir das Gas rausnehmen: Die Rumpfspitze wird gen Erdboden gedreht. Die ohnehin schon durch das leichte Abkippen enge Kurve wird noch enger und die Folge ist der sogenannte "Spiralsturz", bei der sich der Kurvenradius immer mehr verkleinert und der Flieger immer steiler gen Erdboden rast! :eek:

Wenn wir nun ein ganz kleines Seitenleitwerk einbauen, dann fällt der Flieger zwar beim Überziehen in den Kreis rein (Kurvenradius wird verkürzt), aber er dreht mit der Schnauze nur ganz wenig nach unten nach, weil die Flosse, die diese Drehung erzeugt, sehr klein ist. Und da gibt es für Knickohrenflieger tatsächlich eine Seitenleitwerksgröße, bei dem der Spiralsturz kaum noch auftritt.

Zur Abgrenzung: Der Spiralsturz ist eine Flugfigur in Spiralform Richtung Erdmittelpunkt mit sehr hoher Fluggeschwindigkeit! Es ist kein Strömungsabriss (Stall)! Das sanfte Überziehen nutzen wir hier nur als Nicht-Gleichgewichtsmanöver, um eine Störung im Kurvenflug zu haben. Wenn wir ständig einen perfekten Kreis fliegen würden (Libelle in der Mitte), gäbe es auch keinen Spiralsturz, daher bitte nur als einleitendes Manöver für einen Nicht-Gleichgewichts-Kurvenflug verstehen, nicht als Teil des "Spiralsturzes".

Thermiken und Einkreisen
Bei Deiner Frage nach dem Mechanismus des Flügeldrehens sind wir an dem Punkt angelangt, den ich eigentlich gerne vermieden hätte, weil wir nun einen Wahrsager brauchen: Haben wir eine Thermik, die nur eine Blase ist oder gar ein Schlauch und wenn, wie schneiden wir die an?

Erklärungsmodelle für verschiedene Fälle
Wir haben einen Freiflieger und der fliegt ständig Linkskreise...

  1. ...diesem Flieger wird es kaum möglich sein, rechts tangential liegende Bärte anzuschneiden, es sei denn diese Thermik verfügt über einen starken Abwindring! Der drückt rechts auf den Flügel und zwingt das Modell in eine Rechtskurve, wodurch das eigentlich links kreisende Modell einen rechts liegenden Bart anfliegt. Ist das Modell erst einmal in dieser Thermik, läuft o.g. Szenario ab.
    => Steigen!
  2. Die Thermik liegt rechts, hat aber keinen Abwindring. Unser Modell kreist links in Ruhe weiter und wird nie merken, dass rechts eigentlich eine Blase steht.
    => Nix Thermik
  3. Eine Thermik wird frontal angeschnitten, egal ob Blase, Schlauch, Ballon oder Diddl Maus. Das Modell fliegt seine Linkskurve weiter und öffnet bzw. schließt den Kreis in bewährter Manier.
    => Steigen!
  4. Eine Thermik ohne Abwindring (Blase) wird tangential mit dem rechten Flügel angeflogen. Das Modell ist sowieso schon in einer Linkskurve und die Thermik hebt den Flügel rechts noch einmal an. Das Modell kreist sehr eng nach links weg, wird dabei schneller und mit etwas Glück schneidet es die Blase dann frontal an. Mit Pech ist der Kreis zu eng, das Modell wird diese Blase rechts liegen lassen.
    => Glückssache
  5. und so weiter...
Ich hoffe, dass eins klar geworden ist: Der Mechanismus des Einkreisens in eine Thermik ist eine Sache des Anflugweges (frontal, tangential) und eine Sache des Thermiktyps! Der oft verfluchte Abwindring kann extrem hilfreich sein, was das Auffinden einer Thermik anbelangt! Aber nicht jede Thermik hat sowas und daher muss man diese Fälle klar unterscheiden. In der Flugpraxis kann man Abwindringe und Steigzonen bei tangentialem Anfliegen kaum unterscheiden, oft weiß man nicht, ob es links steigt oder rechts nach unten geht. Und genau das ist das Geheimnis der Thermik-Opas - die wissen sowas! :D

Wie und warum man eine Thermik bei eingestellter Kurve treffen kann, ist hoffentlich klar geworden. Der Mechanismus, warum man in einer Thermik bleibt, habe ich in meinem letzten Beitrag in Grundzügen beschrieben, der Mechanismus ist im Detail erheblich komplexer, das kann man nur in einem Video vernünftig zeigen, was da alles passiert. Hier spielen dann in der Tat leichte Abkipper (leicht, kein Vollabriss) beim Umdrehen eine ganz wichtige Rolle, aber das würde ein Normalpilot niemals als Abkipper bezeichnen, bestenfalls als Wackler. Dennoch sind gerade diese Kleinigkeiten die Tricks, die man beherrschen muss, wenn man ein perfekt selbst zentrierendes Modell einstellen möchte.

Text zu lang, aber Fragen hoffentlich geklärt?! :)
Siggi

[ 29. Oktober 2003, 03:25: Beitrag editiert von: Hartmut Siegmann ]
 

Jan

Moderator
*freu*

:)
 
Hi Siggi !

...könnte es sein, dass ihr ein klein wenig am Problem vorbei diskutiert ...
Ich weiß ja nicht was du genau damit meinst aber die Antwort ist schon mal ein klares Nein!

Ich hoffe, dass eins klar geworden ist: Der Mechanismus des Einkreisens in eine Thermik ist eine Sache des Anflugweges (frontal, tangential) und eine Sache des Thermiktyps!
Genau ! Deshalb die Initiierung zur Diskussion zum Thermikmodell. Sonst bringt's nix.

Deine Ausführungen zum Spiralsturz und zur Seitenleitwerksgröße habe ich verstanden und die Verbindung zur Längsstab hat mir ein Ahaa Erlebnis beschert. Danke!

Kann ich als einfaches Fazit jetzt ziehen: Freiflieger haben eine eher hohe Längs- und eine eher kleine Richtungsstabilität. Diese Auslegung begünstigt ein selbstständiges Einkreisenkreisen
durch die beschriebenen Kopplungseffekte. Die TZA gibt es nicht, weil die Trefferquote schlicht und einfach vom Thermiktyp abhängt (Abwindzone ja/nein usw.).

Grüße Helmut
 

Jan

Moderator
Original erstellt von TurboSchroegi:

...
Kann ich als einfaches Fazit jetzt ziehen: Freiflieger haben eine eher hohe Längs- und eine eher kleine Richtungsstabilität. Diese Auslegung begünstigt ein selbstständiges Einkreisenkreisen
durch die beschriebenen Kopplungseffekte. Die TZA gibt es nicht, weil die Trefferquote schlicht und einfach vom Thermiktyp abhängt (Abwindzone ja/nein usw.).
...
...so habe ich das auch verstanden.

Vielleicht noch als Ergänzung: Ich vermute, dass man für die verschiedenen Thermiktypen je nach Auslegung des Fliegers eine jeweils indivuduell verschiedene statistische Wahrscheinlichkeit ermitteln könnte, ob der Flieger erfolgreich zentrieren wird. Will sagen: Der eine Flieger zentriert besser bei Abwindzone, der andere besser, wenn es keine gibt??

Das würde dann auch - wie Helmut schon klarstellt - die Thread-Frage klären. Denn dann stünde fest - immer vorausgesetzt ich habe das richtig verstanden - dass es einen Flieger mit allgemeingültiger und bei jeder Thermiktyp funktionierenden "Zentr.-Automatik" nicht geben kann. Wohl aber gibt es Flieger, die - bei richtiger Auslegung und dem passenden Thermiktyp und gewissen zufälligen Faktoren - sehr wohl automatisch zentrieren.

Übrigens: Das "Aha-Erlebnis" hatte ich auch, deshalb "*freu*".
 
Auch aha und innerer Jubel: wieder was dazu gelernt. Nur leider leider für mich kaum verwertbar, da ich eher größere und scale-Modelle pilotiere. Um euch meine Sichtweise ein Stück mehr zu verdeutlichen, ein Zitat aus dem Munde eines alten (über 50 aktive Jahre, einmal 100 Starts am einem Tag) manntragenden Segelfliegers, dem ich die Eingangsfrage gestellt hatte:
"Ist mit nicht bekannt. Manchmal haut es dir so unter die Fläche, daß du das Flugzeug mit aller Kraft dagegen halten mußt, um nicht aus dem Bart gekugelt zu werden. Die Thermik will dich regelrecht rauskotzen, und das darfst du dir nicht bieten lassen..."
Holm und Rippe!
 
vielleicht liest noch jemand den senf eines ehemaligen freifliegers:
modellauslegung: flächenmittelteil wenig v-form, große, stark hochgestellte "ohren", kleines seitenleitwerk. im freiflug große linkskurve eingestellt, linkes ohr positiv (!) geschränkt. ergebnis: "eierspeiskurve" ohne schräglage, linkes ohr fliegt kurz vorm Strömungsabriss. therrmikbart links hebt den linken flügel, anstellwinkel wird etwas zu groß - strömung beginnt am linken ohr abzulösen: auftrieb links bricht weg, widerstand links steigt - flieger dreht enger nach links - so gott will! in den thermikbart hinein. und bleibt da auch drin, da ihm die im zentrum des barts schneller steigende luft das wiederanlegen der strömung am kurveninnneren linken ohrwaschl verweigert. ist die thermik weg, darf sich die strömung erholen und der flieger zeigt dies wieder durch weite, flache eierspeiskurven an.
rechts liegende thermik wird ignoriert, denn nach rechts kann der vogel eh nicht kurven. zentral angeflogene bärte werden durch kurzes aufbäumen mit anschließender enger linkskurve (strömungsablösung am linken flügelohr) beantwortet. mit glück schneidet er die thermik beim 2. kreis richtig an, wenn nicht, dann halt nicht.
und was macht ein rc-thermikschleicher? flügel verwölben, mehr anstellwinkel, schwerpunkt schön weit nach hinten, doppelte v-form - und das reichlich! und was macht die thermik? linken flügel heben - strömung verabschiedet sich ansatzweise -flieger kippt in die thermik links! und wunderbarerweise funktionierts nun auch rechts rum. wir können uns durch die fernsteuerung die drehrichtung ja aussuchen! zur landung holen wir uns den flieger aber mit der butterflystellung herein - mit extremer "schränkung". mit der "thermikstellung" wird er bei der landung sonst zickig!

hümmivota, bewoahr mi vurm obwind! die thermik werd i scho selba findn!

ps: viele grüße aus österreich...
 

aiolos

User
bin zufällig auf den theard gestossen ... . nach dem begeisterten lesen finde ich das etwas vom besten was ich hier gesehen/lesen hab... hab ich endlich ein paar zusammenhänge geschnallt (nicht nur TZA/TSA/wasauchimmer).

eine frage stellt sich mir nach dem letzten sehr aufschlussreichen beitrag (bussard1) aber dennoch.

Es wird die termikstellung beim 4kl flügel angesprochen... soweit so gut. um mein modell aber in der thermikstellung so einzustellen, dass der effekt mit dem Einkreisen (annähernd?) gelingt, müsste ich am aussenflügel wieder die positive schränkung (oder keine, jedoch nicht negativ?) einbauen. Was oft gerade nicht gemacht wird --> quer weniger verwölbt als wk.

hab ich da was falsch verstanden?

grüsse hanes
 
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