Vollgasfest - muss das (immer) sein?

Frei nach Äsop: "...die Trauben sind viel zu sauer. Und außerdem mag ich Trauben sowieso nicht. So sprach der Fuchs"

Oder anders herum wird ein Schuh draus: es kann ganz schön nervig sein wenn der Hang schön trägt und dann zwei Rentner stundenlang mit ihren Retro-Gurken und Schleichfahrt herumeiern. Für sie mag das Entspannung pur sein, für den Piloten mit flüssigeren Flugstil ist es jedesmal ein Adrenalinstoß, wenn so einer zum x-ten Mal querschneidet. Ebenso ist es aber auch sehr unsympathisch, wenn so einer seine brachiale Superorchidee in Dauerschleife ohne Ansage hin- und herzieht so als würde ihm der Hang alleine gehören. Und trotzdem haben Beide gleich viel Anrecht auf dem Luftraum und Keiner ist besser oder schlechter. Leider ist diese Debatte immer sehr emotionsgeladen und vielfach auch mit Neid durchsetzt und das in alle Richtungen. Klar, die Technik hat die letzten Jahre gewaltige Fortschritte gemacht. Was noch in den 2000ern als "vollgasfest" bezeichnet wurde, holt heute keinen mehr hinter den Ofen hervor und gleichzeitig kostet heute Leistung mehr, als man früher dafür ausgeben konnte und wollte. So nutzen mittlerweile nicht wenige ihre Supermaschinen als Statussymbole und zeigen damit, wie viel "Kohle" sie sich leisten können während auf der anderen Seite das Gefühl wächst, nicht mehr "gut genug" zu sein. Darunter schwingt mit dem gleichen Grundton der Vergleich zwischen dem jungen Wilden mit den Adleraugen und flinken Fingern und den eigenen, nicht ganz so meisterlichen, Flugfähigkeiten. Und dann kommt wieder die Fabel des Äsop ins Spiel, weil man sich so selbst schützt.
Ich glaube, es würde schon viel dazu beitragen, wenn man endlich wieder diesen "Schwanzvergleich" aus den Kopf bekommt und sich einfach auf das Hobby und seine Facetten einlässt. Es gibt halt den Modellflieger, der lieber langsam seine Kreise zieht genauso wie es den Schaumflieger gibt der damit Spaß hat oder den Typen, der sich eine 8m Voll-Gfk-Kiste leistet und damit aus 1000m runter sticht. Da ist keiner besser oder schlechter, keiner richtig oder falsch. Sondern jeder macht sein Hobby und soll so glücklich werden, wie es ihm gefällt.
Viel gescheider ist es, wir konzentrieren uns auf gegenseitigen Respekt und Rücksicht z.b. mit Ansagen und Absprachen am Hang.
 
In dem Zusammenhang erwähnenswert ist sicher auch die Geschwindigkeitsspanne wo solche Segler bewegt werden können.
Sehr universell, aber auch fordernd ;-)
 
Wenn du mal mit einem 1/3 Flieger in starke Thermik gekommen bist an die Sichtgrenze kommst und du gleichzeitig weist das du nicht vollgas Fliegen kannst weil der Flieger grenzen hat werde ich zumindest nervös.
In einem Flieger der nicht besonders Fest ist, müssen eben dann ausreichend Bremsklappen zur Verfügung stehen um sich einer mittelprächtigen Thermik entziehen zu können.

Hallo,

ich bin immer wieder erstaunt, aus einer starken Thermik holt man ein Segelflugzeug am sichersten mit Trudeln herunter. Anscheinend
ist so ein einfaches Manöver bei vielen nicht bekannt. :confused:

Gruss
Micha
 
...Eure Sicht der Dinge...
Absolute unendliche Festigkeit ist unabdingbar.
Vor dem Kauf in jedem Fall eine Stuhlprobe nehmen, äh, durchführen.
Segler zusammenstecken. Mit den Flügelenden auf zwei Stühle legen.
Und dann dem Flieger von der Theke aus ins Kreuz springen.
Wenn er das nicht aushält, dann, äh, dann, ja.... 🤔
 
vollgasfest ist natürlich ein dehnbarer Begriff - so wirklich unzerstörbar wird wohl kaum ein Flieger sein. Muss auch nicht wie finde.
 
Ein Gedanke kam mir noch:
Nicht zu unterschätzen ist beim Trend zu immer stabileren und leistungsfähigen Modellen auch das geschickte Marketing der Anbieter. Wir lassen uns natürlich sehr schön erklären, was wir alles unbedingt brauchen und was ein Modell heute so alles können muss. Wenn wir auf Messen, im Netz und eigentlich überall nur lange genug erfahren, was gerade so angesagt ist, glauben wir es auch. So funktioniert Werbung.
Darauf können wir uns natürlich wohlwollend einlassen, weil es ja auch reizvoll ist, geile Technik zu besitzen und zu nutzen. Es gibt dabei auch kein Richtig oder Falsch oder Gut oder Böse. An mir sind solche Trends eh schon immer voll vorbei gegangen. Deswegen bin ich da wohl auch sehr zurückhaltend. Ich meine trotzdem, es gibt ein (genussvolles) Leben ohne auf jeden Zug aufzuspringen.

Gruß Mirko
 
Hallo,
"vollgasfest" ist eine ähnlich sprachliche Entgleisung wie "beglasen", im Gegensatz dazu aber inhaltsleer, weil es eine Belastbarkeit des Flugmodells beschreiben will, die kaum jemand objektiv darstellen kann, weil man die Konstruktionsberechnungen nicht kennt oder der Konstrukteur gar keine angestellt hat sondern nach dem Motto baut "viel hilft viel".

Angefeuert wird die Debatte durch Videos von Flügen, die das Vorbild so nicht zeigen kann. Denn jedes Flugzeug hat einen Fahrtmesser mit rotem Bereich, wir auch, wir sehen ihn nur nicht.

Solche Flüge kann man toll finden (ich auch!) und muss sie sich dennoch nicht zum Vorbild werden lassen oder anstreben. Ich frage mich, was möchte ich mit dem Flugzeug machen, wo sind meine Grenzen, wo dürfen die Grenzen des Flugzeugs sein. Für den Einsatz in alpinem Umfeld gilt da Anderes als für Ostwestfalen.

Ich plane gerade eine ASW 15 mit besonders leichtem Flügel, abgespeckter Holm und Carboweave mit Rohacell für die Schale. Das Flugzeug wird seine Grenzen beim Abfangen haben und den werde ich auch nicht für Hangflug bei viel und böigem Wind nehmen. Aber, mit einem vorbildähnlichen Flugzeug auch vorbildähnlich langsam fliegen können und in 50m Höhe noch einen Bart anrühren hat doch auch etwas, sieht nur bei YT nicht so spektakulär aus.

Der Begriff "vollgasfest" wird hier nicht auszurotten sein, denkt sich jeder dabei was er will. Für einige Videos möchte ich dem "vollgasfest" einen neuen Begriff zur Seite stellen: "landefest"!
Stefan
 
Vielleicht sollten wir erst einmal unser Verständnis von Vollgasfest genauer beschreiben.

Wenn man der Auffassung ist, dass mit vollgasfest kunstflugtauglich und schnelles an der Hangkante vorbeifliegen bzw. schneller (nicht senkrechter) Abstieg gemeint ist, so geht das in meinen Augen in Ordnung.
Dennoch finde ich auch den Begriff vollkommen daneben, denn ein Segelflugzeug hat kein Gas sondern nur eine Aufstiegshilfe.
Wenn man aber meint, dass nach einem senkrechtem Abstieg aus großer Höher dann plötzlich voll gezogen werden kann, so wird mir übel. So etwas habe ich schon einmal bei einem F3B Piloten gesehen.🤮
 
aus einer starken Thermik holt man ein Segelflugzeug am sichersten mit Trudeln herunter. Anscheinend
ist so ein einfaches Manöver bei vielen nicht bekannt. :confused:
Soweit die Theorie - ich gestehe, dass ich die Mehrzahl meiner Segler gar nicht richtig ins Trudeln kriege (erst recht nicht in großer Höhe). Meistens wird ein Spiralsturz draus, den auch nicht jedes Modell unbeschadet übersteht. Spätestens beim Ausleiten aus der Spirale zeigen sich strukturelle Schwächen sehr schnell :D.

Aber ja, im Prinzip hast du recht.
 
Ich habe gebremmst mit allen was geht, Störklappen Wölbklppen auf 70° Runter und Fahrwerk raus.
Es hat sich dennoch elend lange angefühlt bis das die Kestrel wieder gut sichtbar wurde. In diesem Moment währe ich dankbar gewesen wenn die Kestrel reichlich fest gewesen währe.
.....
Angenommen du kommst mit deinem Flieger in eine Überdurchnittliche Thermik in der die Luftmasse mit 5m steigt
Was glaubst du wie schnell du Fliegen musst bis das der Flieger nicht mehr steigt?
Wie groß ist das Sinken bei gezogenen Störklappen?

Hallo

Bei Modellfliegern wird da dann oft vergessen, dass man die Mühle dann auch noch auf den Kopf stellen kann.
Der Luftwiderstand nimmt ja im Quadrat der Geschwindigkeit zu, also wirken auch die Bremsen extrem besser, je "schneller" (so gut eben noch möglich) man fliegt.

Und sagt mir jetzt nicht, dies würde eventuell den Flieger überlasten. Die Maximale Sturzgeschwindigkeit ist mit vollen Bremsen ja nicht mehr im Speedbereich. Das hielten früher sogar Rippenflügel aus.

Was eventuell ein Nachteil ist, wenn man nur Butterfly verwendet, denn da biegen sich die Flächen dann womöglich beängstigend nach unten...
 
Mir ging es bei der Eingangsfrage weniger um die Festigkeit dieser "vollgasfesten" Modelle, sondern eher um den augenscheinlich damit verbunden Flugstil. Und dass ein manntragender Swift einen roten Strich hat, weiß ich auch ;)...

Es sind ja anscheinend viele der Ansicht, dass ein 600m Ablasser mit eckigem Vierkantlooping bei einem Streckenflieger-Scaler nicht zu den Mindestanforderungen gehört, wohl aber sicheres Fliegen in bockiger Luft und Absteigen ohne befürchten zu müssen, dass der Flieger abmontiert.

Also alles Anforderungen, die auch ein wesentlich leichter gebautes Modell erfüllen kann, wenn es denn entsprechend gut gebaut ist.
 
Okay, es ist jetzt ein wenig am eigentlichen Thema vorbei:

Aber was passiert denn im Gehirn, wenn jemand mit dem Modell steigt und merkt, dass es sehr gut steigt und dem Moment, wo das Modell echt so klein geworden ist, dass unbedingt alle Anker geworfen werden? Ist in dieser Zeit Leere? Oder nur Euphorie? Oder kommt man nicht mal frühzeitig auf den Trichter, den Rückzug (Abstieg) anzutreten? Ja, man kann dann nicht von neuen Rekorden berichten. Aber das Modell ist heile wieder unten und die Nerven geschont.
Ich finde die Idee, ein Modell, das ich fast nicht mehr sehe, auch noch auf den Kopf zu stellen gar nicht so erstrebenswert. Dann ist es doch komplett verschwunden... Trudelnd habe ich auch schon einige Abstiege gemacht, das geht gut. Auch artgerechter Kunstflug vernichtet sicher Höhe. Aber trotzdem blieb zumindest mir immer die Erkenntnis, dass ich gepennt habe, wenn das Modell am Himmel zu klein geworden ist.

Ja, ich weiß, es gibt immer Leute, die in 800 m Höhe noch alles ganz genau erkennen können...keine Frage. Aber musss jede Grenze ausgetestet und neu gezogen werden?

Gruß Mirko
 
Ich finde die Idee, ein Modell, das ich fast nicht mehr sehe, auch noch auf den Kopf zu stellen gar nicht so erstrebenswert. Dann ist es doch komplett verschwunden... Trudelnd habe ich auch schon einige Abstiege gemacht, das geht gut. Auch artgerechter Kunstflug vernichtet sicher Höhe.

Hallo Mirko
In der Praxis macht man das natürlich sicher nicht senkrecht über dem Piloten. Denn nur dort siehst Du ihn ja nur von vorne.
Und wenn Du eben genügend Höhe hast und der Flieger das aushält kann man ihn auch so drehen, das die Farbe schön leuchtet und/oder der Kontrast gut ist.

Kunstflug mit nicht "vollfesten" Fliegern in grosser Höhe würde ich hingegen nicht dazu raten. Wie andere ja auch schon schrieben ist da dann doch schnell mal die maximal zulässige Geschwindigkeit überschritten, da es ja gar nicht so schnell aussieht auf weite Distanz...
 
Also alles Anforderungen, die auch ein wesentlich leichter gebautes Modell erfüllen kann, wenn es denn entsprechend gut gebaut ist.

Hallo Jonas
Tja, dazu hast Du ja dann schon die Antwort in Post 2 von Martin ;-)

Ich sage immer, einmal in einem richtigen Segelflieger mitfliegen hilft viel, ein Verständnis für Geschwindigkeit und Belastung zu erhalten.
Die modernen Segler vielleicht weniger, aber frühere Modelle hatten da schon noch manchmal ziemlich "Geknister" im Gebälk. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Bitte bei der ästhetischen Betrachtung des Schnellflugs + hohe g Kräfte bedenken, dass es nicht nur Modellflieger mit Puppe vorn drin gibt.
Gruss Hannes
 
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