Text: Claus Eckert
Fotos: Daniel Schulz Team GER1 - zooom Productions GmbH - Christian Hauser
Fotos: Daniel Schulz Team GER1 - zooom Productions GmbH - Christian Hauser
Bei einer Gesamtstrecke von 1238 km entscheiden 4.400 m am Ende alles. Manuel Nübel (GER1) landete nach furioser Aufholjagd und spannendem Finish auf dem sechsten Platz. Ganz knapp vor Paul Guschlbauer (AUT1), dem trotzdem ein sehr gutes Rennen gelang.
Freitag, 11.15 Uhr: Red Bull X-Alps-Begeisterte starrten auf ihre Bildschirme. Noch 15 Minuten bis zum Ende. Ich saß inzwischen selbst am Landeplatz in Zell am See. Anderes als an den Vortagen, als die Athleten noch auf dem Floß landeten und standesgemäß vom Publikum begrüßt wurden, war die Esplanade heute von den üblichen Spaziergängern bevölkert.
Es war klar, dass zum Ende des Red Bull X-Alps 2021 am Freitag um 11.30 Uhr, es kein weiterer Athlet mehr schaffen würde, ins Ziel zu kommen.
Denn anders als noch am Vortag von mir vermutet, konnte niemand den Weg über den Großglockner in der Nacht bewältigen. Auch Paul Guschlbauer (AUT1) und Manuel Nübel (GER1) waren zu weit von der Großglockner-Hochalpenstraße entfernt.
Paul war auf der Nordseite des Turnpoint 11 am Kronplatz gelandet. Den musste er noch erreichen. Manuel hatte den Turnpoint 11 noch geschafft und konnte bis exakt 21.00 Uhr ins Antholzer Tal abgleiten.
Donnerstagabend, Manuel Nübel (GER1) hat nach einer furiosen Aufholjagd den Turnpoint 11 am Kronplatz geschafft.
Jetzt noch so weit wie es geht abgleiten.
Da fast alle Athleten den Nightpass gezogen hatten, stellte sich jetzt die Frage nach der richtigen Strategie. Am Abend noch auf den Kronplatz hoch und dort bis zum Morgen zu warten, machte für Paul keinen Sinn. Also hieß es ausruhen und in der Früh rauf zum Turnpoint.
Manuel wusste, er muss einen Zahn zulegen und in der Nacht Strecke machen, um frühzeitig irgendwo auf einen Berg zu steigen, um dann zu versuchen, so weit wie möglich zu fliegen.
Manuel hatte während der gesamten Tour einen Engel dabei. Sein bezaubernde Freundin Anastasia gab ihm jeden Tag den Halt, den er so dringend brauchte. Am Anfang des Red Bull X-Alps 2021 ging es ihm nämlich mental noch nicht so gut. Aber sie baute ihn auf, sie half ihm, in den Flow zu kommen und sie Unterstützte ihn wo es nur ging. Anastasia war das wertvollste Teammitglied für Manuel. Das meinten auch die anderen Teammitglieder.
In dieser letzten Nacht vor dem Ende des Rennens zeigte sie noch mal ihre Stärke. Die ganze Nacht lief sie an Manuels Seite, begleitete ihn auf Schritt und Tritt. Baute ihn wieder und wieder auf, selbst als ihr schon die Augen zufielen. Motivierte ihn, wenn es nötig war und sorgte ganz maßgeblich dafür, dass Manuel noch mal alle Kräfte mobilisieren konnte.
Paul Guschlbauer startet am Freitagmorgen am Kronplatz, Turnpoint 11.
An diesem Morgen begann der letzte Teil des Krimis um den sechsten Platz. Manuel war aufgestiegen und wartete am Startplatz auf Thermik. Am Kronplatz war Paul Guschlbauer (AUT1) bereits gestartet und auf der Jagd nach dem sechsten Platz unterwegs. Aber auch er musste vorlanden und wieder aufsteigen, hatte danach jedoch eine sehr gute Position, um eine große Höhe zu erreichenen.
Manuel saß noch immer an seinem Startplatz. “Ich sah die ersten Vögel aufsteigen und wusste aber, bald wird es noch besseres Steigen haben.“ erzählte er nach dem Rennen. Das ist wohl eine Mischung aus Pokerface und Erfahrung, um unter diesem Druck cool zu bleiben. Natürlich hat er gesehen, wo Paul unterwegs war. Im Endeffekt wusste er jedoch, dass sie beide in der selben Luftmasse die gleichen Bedingungen haben würden. Es kam nur auf den richtigen Zeitpunkt an, in diese einzusteigen, um auf Strecke zu gehen.
Der richtige Zeitpunkt kam und Manuel konnte starten. Es gelang ihm noch ein schöner Flug, aber dann musste er im Tal landen, während Paul in 2200 m Höhe flog. Das wird knapp werden. Manuel war nun gezwungen, seinen Vorsprung durch Laufen zu behaupten. Paul konnte zwar steigen, aber es gelang ihm nicht mehr, wesentlich voran zu kommen. Manuel lief und lief...
Es war 11.15 Uhr und ich saß in Zell am See. In den diversen Messenger-Gruppen war die Spannung ablesbar. Im Sekundentakt kamen Kommentare und Anfeuerungspostings auf das Smartphone. Die Fans von Manuel zitterten mit. Die Fans von Paul bestimmt ebenso.
Dann schlug die Uhr 11.30 Uhr und das Red Bull X-Alps 2021 war zu Ende. Die Zeitverzögerung des Live-Trackings beträgt einige Minuten. Das bedeutete banges Warten. Doch dann kam das erfreuliche Ergebnis. Manuel hatte seinen sechsten Platz verteidigen können.
Was für ein Comeback. Zwei Tage zuvor war Manuel noch im Mittelfeld platziert. Viele glaubten nicht mehr daran, dass er es unter die ersten Zehn schaffen könnte. Doch wer die Red Bull X-Alps über die Jahre verfolgt hat weiß, dass jeden Tag Neues und Unvorhergesehenes passieren kann. Wie bei jeder Sportart steht das Ergebnis schließlich erst im Ziel oder nach dem Schlusspfiff fest.
Ich hatte jetzt viel Zeit, denn das Team saß ja südlich des Alpenhauptkammes. Also machte ich das „Empfangskomitee“ und fuhr Richtung Felbertauerntunnel. Dort angekommen konnte ich im Live-Standorttracking des Teams verfolgen, wann die beiden Fahrzeuge eintreffen würden.
Es gab eine kurze Begrüßung und weiter ging es Richtung Zell am See. Über die Odyssee in der Baustelle bei Mittersil wird besser geschwiegen. Es gibt halt nur eine Straße im Salzachtal. Wenn die wegen Bauarbeiten zeitweise gesperrt ist, muss man eben geduldig sein und auch mal 20 Minuten im Stau warten können. Am Ende kam das Team-Wohnmobil gut eine halbe Stunde später in Zell am See an als der Team-Fotograf Daniel Schulz und meine Wenigkeit.
Am Nachmittag bekam ich mit Christine und Christian Hauser weitere Unterstützung beim Fotografieren. Team-Fotograf Daniel musste sich am frühen Abend Richtung Frankfurt verabschieden und konnte daher bei der Abendveranstaltung nicht mehr dabei sein.
Christian Hauser (re.) bringt Manuel Nübel ein besonderes Präsent aus dem Zillertal mit. Eine große Flasche Bockbier.
(v.l.) Publikumsliebling Toma Coconea (ROU), Christian und Christine Hauser
Die Abendveranstaltung fand nach dem obligatorischen Corona-Test für alle auf dem Schiff statt. Dieses drehte auf dem Zeller See seine Runden, während die Athleten, ihre Teams und die Gäste bestens versorgt wurden. Vielen Athleten und Teammitgliedern war die Anstrengung des Red Bull X-Alps 2021 ins Gesicht geschrieben. Unabhängig von der Platzierung ist die Leistung, die alle ablieferten, gewaltig.
(v.l.) Melanie, Autorin beim Thermik-Magazin, Europas größtem unabhängigen Gleitschirm- und Drachenmagazin, und Anastasia vom Team GER1
Immer den Blick nach vorne gerichtet, Anastasia und Manuel.
Ulrich Grill, der Organisator der Red Bull X-Alps meinte im Gespräch auf die Frage, warum dieses Jahr der mediale Einsatz zum Beispiel von begleitenden Hubschraubern geringer war, dass die Kosten dafür extrem hoch sind. Deshalb hat man sich entschieden, an einigen Stellen den Aufwand zu überdenken. Der Kostendruck ist auch bei den Red Bull X-Alps ein Thema, was letztendlich auch Corona geschuldet ist. Lange Zeit war ja völlig unklar ob das Red Bull X-Alps 2021 stattfinden kann.
Racedirector Christoph Weber war sichtlich froh, alle Athleten und Teams „in einem Stück“ wieder zurück zu haben.
Die Ehrung aller anwesenden Athleten und ihrer Teams rundete den Abend ab. Und egal welchen Platz sie im Ranking erreicht hatten, sie wurden alle von den Gästen lautstark bejubelt.
Ein Eindruck blieb haften. Die Athleten zeigten viel gegenseitigen Respekt vor den Leistungen der anderen Wettbewerber. Jeder weiß, was es heißt, an den Red Bull X-Alps überhaupt teilnehmen zu dürfen. Egal, ob man aus Neuseeland, Japan, den USA oder wo auch immer herkommt, der Respekt für die sportlichen Leistungn der Anderen war immer zu sehen und zu hören.
(v.l.) Yael Margelisch (SUI4), Manuel Nübel (GER1), Paul Guschlbauer (AUT1)
Noch ein paar Worte in eigener Sache:
Nachdem immer wieder mal in den Kommentaren die Frage gestellt wird, was die Berichterstattung über die Red Bull X-Alps eigentlich mit RC-Modellbau zu tun hat, eine kleine Anekdote vom Rande.
Racedirector Christoph Weber hat zu Beginn des Red Bull X-Alps 2021 von einem allseits bekannten RC-Paraglider-Entwickler ein RC-Paraglider-Equipment für seinen Sohn bekommen. Christoph wohnt in der Nähe des Modellfluggeländes meines Vereins. Daher haben wir am Abend auf dem Schiff vereinbart, dass wir uns bei uns am Platz treffen wollen, um Vater und Sohn Weber bei den ersten Flügen die notwendige Unterstützung zu geben.
Es gibt immer wieder Berührungspunkte zwischen Allgemeiner Luftfahrt und der ferngesteuerten Fliegerei. Manchmal muss man diese nur richtig nutzen, zum Vorteil für beide Seiten.
Zum Schluss noch zwei Infos für alle Fans des Red Bull X-Alp. Es wird auch 2023 stattfinden und wieder in Zell am See enden.
Das Endergebnis:
Die Siegerehrung:
Weitere Bilder in loser Reihenfolge von Christian Hauser:
Alle Artikel:
Der Prolog
20. Juni Start in Salzburg bis nach Wagrain
21. Juni Von Wagrain nach Lermoos
22. Juni Vom Chiemsee nach Lermoos
23. Juni Von Lermoos zum Säntis
24. Juni Von Lermoos nach Fiesch
25. Juni Vom Säntis nach Fiesch
26. Juni Von Fiesch zum Mont Blanc
27. Juni Vom Mont Blanc zum Piz Palü
28. Juni Vom Piz Palü ins Ziel
29. Juni Der Kampf um Platz 2
01. Juli Der Kampf um die Platzierung
02. Juli „Comeback-Nübel“ landet auf dem sechsten Platz
Extra:
23. Juni Das I-Clip Gewinnspiel
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